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Archäologie

Die Fahndung beginnt

Spurensuche in der Bucht von Abukir

Bei der Kartierung des Meeresgrunds in der Bucht von Abukir in Ägypten stößt das Forschungsteam um Frank Goddio im Jahr 1996 auf erste Auffälligkeiten: Die Sonar- und Magnetfeldmessungen liefern Indizien für den Verlauf des alten Flussbetts des Kanopus-Nils – des Nilarms, an dem den antiken Überlieferungen zufolge die Hafenstadt Herakleion gelegen haben müsste.

Und noch etwas enthüllen die Kartierungen, für die Goddio und sein Team ein speziell für mobile Einsätze angepasstes Magnetresonanz-Messgerät einsetzen: Die hochaufgelösten Magnetdaten deuten darauf hin, dass knapp unter der Sedimentoberfläche des Meeresgrunds schwere Objekte verborgen liegen. Die Konturen der Unterwasserlandschaft legen zudem nahe, dass es wenige Kilometer vor der Küste der Bucht eine Art Plateau gibt – ein rund zehn Kilometer langes, grob dreieckiges Stück des Meeresgrunds ragt rund zehn Meter über den Rest des Untergrunds hinaus.

„Sand, nichts als Sand“

Auf Basis dieser Daten beginnen die Unterwasserarchäologen mit den ersten Tauchgängen. Sie wollen vor Ort nachschauen, was es mit den Magnetsignaturen und dem seltsamen Plateau auf sich hat. „Die ersten Tauchgänge waren seltsam“, berichtet Goddio. „Auf unseren Kartierungen hatten wir dort Signale gesehen, die auf die Präsenz bedeutender Strukturen hindeuteten. Aber als wir dann dort tauchten, sahen wir nur Sand, nichts als Sand. Hier und dort gab es einige von Verkrustungen bedeckte Steine, aber sonst war nichts sichtbar.“

Im Jahr 2000 stoßen die Archäologen in der Bucht endlich auf Anzeichen menschengemachter Strukturen: Im westlichen Teil ihres Untersuchungsgebiets entdecken sie eine 150 Meter lange Reihe zerbrochener Säulen aus rotem Granit, vermischt mit großen Blöcken aus Kalkstein. Wenig später finden sie, begraben unter Sediment, die Fundamente einer 103 Meter langen Mauer aus drei Meter großen Steinblöcken – Größe und Bauweise sprechen dafür, dass es sich um die Überreste einer Tempelmauer handelt.

Die Entdeckung der versunkenen Tempelmauer.© Frank Goddio

Die Entdeckung von Kanopus

Doch von welchem Tempel stammen die Relikte? Aufschluss geben den Forschern Trümmerteile von Statuen, Fragmente von Tafeln mit Hieroglypheninschriften sowie der Kopf einer mehr als vier Meter hohen Statue des Gottes Serapis aus ptolemäischer Zeit, die die Taucher in der Nähe der Mauer entdecken. Aus diesen Funden geht hervor, dass die versunkenen Ruinen zur Stadt Kanopus gehören mussten – der kleineren Nachbarstadt des antiken Herakleion. Den Überlieferungen zufolge gab es in diesem Ort zu pharaonischer Zeit einen Osiris-Tempel, der in der Antike hellenisiert und zum Serapis-Tempel umfunktioniert wurde.

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Damit ist klar: Goddio und sein Team haben zumindest eine der verschollenen ägyptischen Küstenstädte entdeckt. Kanopus war laut historischer Überlieferung bis in die römische Ära hinein besiedelt. Die Stadt galt damals als eine Art Luxus-Resort, ein antikes „St. Tropez“, das für seine extravaganten, ausschweifenden Feste bekannt war. Der römische Kaiser Hadrian ließ sich für seinen um 120 n. Chr. gebauten Landsitz nahe Rom sogar eine Nachbildung von Teilen der Stadt Kanopus errichten. Weitere Funde am Meeresgrund bestätigen, dass Kanopus noch bis in die Spätantike bestand: Münzen, christliche Kreuze und byzantinische Siegel zeigen auch eine christliche Besiedlungsphase.

Ein weiteres Ruinenfeld

Doch warum ist Kanopus in den Fluten des Mittelmeeres versunken? Und noch viel wichtiger: Was ist mit ihrer größeren Nachbarstadt Herakleion passiert? Wenn es sie gegeben hat, müssten die Ruinen dieser einst so bedeutenden antiken Hafenstadt einige Kilometer östlich der Überreste von Kanopus liegen. Goddio und seine Kollegen beginnen daher dort mit Tauchgängen – und werden tatsächlich fündig:

In unmittelbarer Nähe zum alten Bett des Kanopus-Nilarms entdecken sie eine riesige Ansammlung von im Sediment verborgenen Ruinen und Artefakten. Unter den Funden sind riesige Steinblöcke einer 150 Meter langen Mauer, ein großes rechteckiges Wasserbecken aus rotem Granit und zahlreiche Amulette, Bronzestatuetten und große Statuen von Königen und Göttern. Zusammen sprechen diese Artefakte dafür, dass auch an dieser Stelle eine Stadt mit einem großen Tempel gelegen haben muss. Doch ist es der Tempel von Herakleion?

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Ägyptens versunkene Metropole
Thonis-Herakleion - auf den Spuren des antiken "Venedigs am Nil"

Eine legendäre Stadt
Herakleion, Ägyptens Tor zur antiken Welt

Die Fahndung beginnt
Spurensuche in der Bucht von Abukir

Die Entdeckung
Das versunkene Herakleion und sein ägyptischer Zwilling

Der Untergang
Warum Thonis-Herakleion in den Fluten versank

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