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Phänomene

Biochemische Verwirrungen

Fehlschlüsse bei Makromolekülen und Enzymen

Wenn es um biologische Makromoleküle geht, lagen auch nach Stanley gleich mehrere Nobelpreisträger falsch oder zumindest knapp daneben. Gerade die Enzyme sorgten für einige Verwirrung, denn oft war nicht klar, ob sie nun Synthesen katalysierten oder aber den Abbau bestimmter Verbindungen förderten.

Kristallisierte Struktur des Enzyms Polynucleotid-Phosophorylase © RCSB

Das falsche RNA-Enzym

1959 erhielten Severo Ochoa und Arthur Kornberg den Medizin-Nobelpreis ihre Entdeckung der Mechanismen bei der Biosynthese von RNA und DNA. Ochoa hatte wenige Jahre zuvor das Enzym Polynucleotid-Phosophorylase aus einem Bakterium isoliert. In Reagenzglas-Experimenten zeigte sich, dass dieses Enzym RNA aus kleineren Bausteinen aufbauen kann.

Ochoa hielt es daher für den entscheidenden Akteur bei der „Umschrift“ der genetischen Bauanleitungen der DNA in die Boten-RNA. „Das Vorkommen der Polynucleotid-Phosophorylase in der Natur erscheint verbreitet genug, um zu vermuten, dass dieses Enzym generell an der Bioynthese der RNA beteiligt ist“, erklärte er bei seiner Nobelpreis-Vorlesung.

in den Zellen läuft es anders…

Was Ochoa – und das Nobelpreis-Komitee – zu diesem Zeitpunkt nicht wussten: In diesem speziellen Fall sind Laborergebnisse nicht auf das Geschehen in den lebenden Zellen übertragbar. Denn unter normalen Umständen tut die Polynucleotid-Phosophorylase genau das Gegenteil von dem, wofür Ochoa seinen Nobelpreis bekommen hatte: Statt RNA aufzubauen, baut das Enzym sie in den Zellen ab.

Wie sich wenig später herausstellte, ist der eigentliche Produzent der RNA in der Zelle das Enzym RNA-Polymerase. Der US-Biochemiker Roger Kornberg erhielt für die Korrektur Ochoas und für die detaillierte Aufklärung der RNA-Synthese im Jahr 2006 den Chemie-Nobelpreis.

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Arthur Kornberg im Labor 1959 © National Library of Medicine

Reparatur statt Neubau

Arthur Kornberg, der sich mit Ochoa den Nobelpreis teilte, lag bei seinem Enzym etwas richtiger. Er hatte eine Form des Enzyms DNA-Polymerase als das Molekül identifiziert, das neue Kopien eines DNA-Strangs erzeugt. Er beobachtete als erster, dass dies nur dann funktioniert, wenn ein kompletter DNA-Strang als Vorlage vorhanden ist. Gibt man das Enzym einfach nur zu DNA-Bausteinen dazu, passiert nichts.

„Das Enzym, das wir untersuchen, ist einzigartig darin, dass es Anweisungen von einem Template annimmt“, erklärte Kornberg bei seinem Nobelpreis-Vortrag. Er hatte damit das Grundprinzip entdeckt, über das unser Erbgut kopiert wird. Allerdings: Kornberg nahm an, dass auf diese Weise auch neue Chromosomen in der Zelle entstehen, doch damit lag er falsch. Die von ihm entdeckte DNA Polymerase 1 dient nur der Reparatur von DNA-Schäden an den Chromosomen. Erst sein Sohn Thomas Kronberg entdeckte zwei weitere Varianten der DNA-Polymerase und damit die entscheidenden Synthese-Enzyme der DNA.

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Nadja Podbregar

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Noble Irrtümer
Wo selbst Nobelpreisträger falsch lagen

Krebs durch Parasiten?
Fibiger und der fiese Fadenwurm

"Klebrige Nervenbahnen"
Der Fall Moniz und die Lobotomie

Das falsche Element
Irrtümer und "halbe Sachen" in der Physik

Trügerische Kristalle
Stanley und das Tabakmosaikvirus

Biochemische Verwirrungen
Fehlschlüsse bei Makromolekülen und Enzymen

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