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Energie

Barrieren, Chemie und Feuer gegen das Öl

Der Kampf gegen die Ölpest über Wasser

Ölteppich aus dem Orbit am 24. Mai 2010 © NASA

Die Explosion und das Versagen des Blowout-Preventers führen zum GAU: Innerhalb weniger Tage wächst der Ölfleck von gut zehn Quadratkilometern um die Unglücksstelle herum zu einem riesigen Ölteppich von rund 10.000 Quadratkilometer Fläche an. Nahezu ungehindert sprudeln Öl und Gas aus dem Leck am Meeresgrund. Nachdem die Austrittsmengen zunächst deutlich niedriger geschätzt wurden, gibt BP Anfang Juni 2010 zu, dass an der Deepwater-Bohrungsstelle täglich bis zu 9,6 Millionen Liter Öl ausströmen.

Am 29. April 2010 erreichen Ausläufer des Ölteppichs erstmals die Küste von Louisiana, die US-Regierung ruft dort und in den angrenzenden Bundesstaaten den Notstand aus und erklärt das Ganze zur „nationalen Katastrophe“. Fortan sind auch US Coastguard und Armee im Einsatz, um die Folgen der Ölpest eindämmen zu helfen.

Kontrolliertes Abbrennen schwimmenden Öls, das zuvor mit Hilfe von speziellen Barrieren auf einen kleinen Bereich eingeengt wurde. © U.S. Coast Guard / John Masson

Abfackeln, abblocken und absaugen

An der Unglücksstelle der Deepwater Horizon stationiert BP ein Bohrschifff, das einen Teil des ebenfalls austretenden Erdgases einfängt und abfackelt. Ebenfalls noch im April entschließen sich die US-Behörden, auch einen Teil des Ölteppichs kontrolliert abzubrennen. Dazu müssen Bereiche des schwimmenden Öls abgegrenzt und anschließend entzündet werden. Hoher Wellengang erschwert diese Maßnahme jedoch stark. Das gleiche gilt auch für die Eindämmung des Ölteppichs und die Abriegelung gefährdeter Küstenbereiche mit schwimmenden Barrieren. Vielfach schwappt das ölhaltige Wasser einfach darüber.

Später wird deshalb der zum Ölabsaugfahrzeug umgerüstete Tanker „A Whale“ im Golf eingesetzt, um das auf der Wasseroberfläche schwimmende Öl einzufangen. Dazu saugt es verschmutztes Meerwasser über zwölf Öffnungen seitlich am Schiffsrumpf an und reinigt es im Schiffsinneren über ein mehrstufiges Ölabscheidesystem. Anschließend wird es ins Meer zurückgepumpt. 80.000 Millionen Liter ölverseuchtes Meerwasser kann der Tanker pro Tag reinigen. Die Maßnahme, zunächst in einer Testphase gestartet, hat jedoch mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen. So erschweren Stürme und Seegang die Wasseraufnahme, zusätzlich ist das Öl teilweise zu fein verteilt, um es komplett entfernen zu können. Wie effektiv das Schiff letztlich sein wird, muss sich erst noch zeigen.

Streit um Lösungsmittel

Um den Ölteppich aufzulösen, werden in den ersten Wochen nach dem Unfall per Flugzeug und von Schiffen aus Dispersionsmittel versprüht. Die Chemikalie Corexit 9500 soll eine Verklumpung verhindern und die Tröpfchen so fein verteilen, dass sie in tiefere Wasserschichten absinken. Damit will man verhindern, dass der Ölteppich weiter auf die Küste zu geschwemmt wird. Das Mittel ist jedoch wegen seiner Giftigkeit und Umweltwirkungen sehr umstritten und in Großbritannien bereits seit zehn Jahren verboten.

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Disperionsmittel wird per Flugzeug über den Ölteppich gesprüht. Zeitgleich setzt BP auch Tauchroboter ein, die das Mittel unter Wasser direkt am Leck freisetzen. © U.S. Coast Guard / Stephen Lehmann

Wissenschaftler der Universität von Miami veröffentlichen Anfang Juni 2010 eine Untersuchung, die belegt, dass das durch die Lösungsmittel fein verteilte Öl nicht nur planktische Organismen gefährdet, sondern auch die Lebensgemeinschaften der Kaltwasserkorallen, Korallenformen, die im kalten Tiefenwasser des Golfs von Mexiko gedeihen. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass die sensiblen Kaltwasserkorallen diese ölbeladenen Nahrungspartikel nicht verdauen können und deshalb in großer Anzahl zugrunde gehen werden“, so Korallenforscher Gregor Eberli.

Kaltwasserkorallen bedroht

„Wir sind besonders besorgt, weil Strömungen diese Öllachen dorthin tragen, wo sie Gemeinschaften der Tiefseekorallen zerstören oder stark schädigen können“, so Eberli weiter. „Diese Korallen sind wichtig, da sie das Fundament eines reichen Ökosystems bilden, das mindestens 1.300 marine Arten umfasst.“ Besonders gefährdet wären auch viele Arten von Tiefseefischen, die in den Korallenriffen vor der Küste Floridas ihre Kinderstube haben. Auch die für die Fischerei wichtigen Fischarten Red Snapper, Zackenbarsch und Stachelmakrele leben in den gefährdeten Gebieten.

Bisher gibt es keine bekannte Methode, mit der die schwebenden Öltröpfchen wieder aus dem Wasser entfernt werden können. Bereits Mitte Mai fordert daher auch die amerikanische Umweltbehörde EPA von BP, auf ein unschädlicheres Mittel umzusteigen. Der Ölkonzern jedoch verteidigt den Einsatz von Corexit mit dem Argument, es sei effektiver und langfristig sogar weniger umweltschädlich als andere Mittel.

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Nadja Podbregar
Stand: 16.07.2010

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Der große Blow-Out
Ölflut im Golf von Mexiko

Die Vorgeschichte
Warum Lage und Technik die Bohrung so riskant machten

Der „Blow-Out“
Wie es zur Katastrophe kam

Barrieren, Chemie und Feuer gegen das Öl
Der Kampf gegen die Ölpest über Wasser

In der Tiefe
Versuche zur Abdichtung am Bohrloch

Operation „Top Kill“
Pfropf aus Schlamm

Ein erster Erfolg
Operation Ersatzkappe stoppt erstmals den Ölfluss

Letzte Hoffnung „Bottom Kill“
Entlastungsbohrungen sollen Ölfluss unterirdisch stoppen

Diaschauen zum Thema

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