Ein Höhlenfisch hat Wissenschaftlern zu neuen Erkenntnissen über den Albinismus verholfen. Sie konnten die Pigmentstörung in zwei getrennten Fisch-Populationen auf ein Gen zurückführen, das auch beim Menschen für die häufigste Form des Albinismus verantwortlich ist.
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Das wiederholbare Experiment ist in vielen naturwissenschaftlichen Fachrichtungen die Methode der Wahl – den Evolutionsbiologen aber fehlt dieses Mittel. Sie sind darauf angewiesen, die Entwicklungen, die die Natur im Laufe von Millionen von Jahren genommen hat, anhand bestehender Unterschiede zwischen Arten oder Populationen nachzuvollziehen. Manchmal allerdings stoßen sie dabei auf eine Art wiederholtes Experiment seitens der Natur selbst.
Ein solcher Fall sind Anpassungen von Organismen an das Leben in Höhlen, bei der jede Höhlenart als Teil eines wiederholten Experiments zu Veränderungen unter Dauerdunkel betrachtet werden kann. Unter anderem deshalb sind besondere Höhlenfische ein beliebtes Studienobjekt der Evolutionsbiologen – so auch in diesem Fall.
In einer internationalen Studie untersuchten Forscher um Richard Borowsky, Professor an der New York Universität, die Rolle der Gene für die fehlende Pigmentierung in zwei voneinander getrennten Höhlenfischpopulationen. Sie isolierten die Gene und kartierten die Regionen des Chromosoms, in denen die höhlenspezifischen Anpassungen der Tiere kodiert wurden.
Anhand dieser so genannten Mikrosatelliten-Bindungskarte stellten die Forscher fest, dass die genetischen Marker für den Albinismus in beiden Fischgruppen offenbar an derselben Stelle des Chromosoms lokalisiert waren. Daraus ergaben sich drei Erklärungsmöglichkeiten: die gleiche Mutation im selben Gen, unterschiedliche Mutationen am gleichen Gen oder aber Mutationen in getrennten, aber eng verbundenen Genen.
Gene beider Populationen sequenziert
Um herauszufinden, welche dieser drei Varianten tatsächlich vorlag, sequenzierten die Forscher die in Frage kommenden Gene bei Tieren der beiden Populationen. Das Ergebnis: in allen Fällen war das Pigmentgen Oca2, involviert. Nähere Untersuchungen enthüllten, dass bei diesem ein spezifisches Exon, eine proteinkodierende DNA-Sequenz fehlte und deshalb die Pigmentproduktion nicht funktionierte. Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift Nature Genetics veröffentlicht.
Ein Rätsel bleibt allerdings, warum bei beiden Populationen – und auch einer dritten, zusätzlich untersuchten, immer genau dieses Pigmentgen betroffen war und unabhängig voneinander die gleiche Mutation aufwies. Interessant ist dies vor allem deshalb, weil genau dieses Gen auch beim Menschen als Hauptauslöser für die häufigste Form des Albinismus gilt. Nach Ansicht der Forscher könnte dies damit zusammenhängen, dass das Gen zum einen besonders groß ist und damit auch einen guten Ansatzpunkt für Mutationen bietet, es zum anderen neben der Melaninproduktion keine weiteren Funktionen zu besitzen scheint. Folglich wirkt sich eine Mutation an dieser Stelle zwar auf die Pigmentierung, nicht aber auch weitere möglicherweise das Überleben behindernde Eigenschaften des Organismus aus.
(New York University, 26.12.2005 – NPO)