Wissenschaftler haben herausgefunden, wie kleine Ribonukleinsäuren (RNAs) in Methan-produzierenden Einzellern funktionieren. In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) stellen sie erste Anhaltspunkte vor, welchen Einfluss diese kurzen Ribonukleinsäureketten in Stresssituationen auf die zellulären Prozesse haben.
Gegenstand der Untersuchungen der Forscher der Universität zu Kiel (CAU) und des Berliner Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie sind Archaeen. Dabei handelt es sich um einzellige Organismen, die keinen Zellkern besitzen und unter extremen Milieubedingungen, wie beispielsweise in sauerstofflosen Umgebungen, wachsen.
Da es sich um Methan- und CO2-produzierende Zellen handelt, spielen sie eine wichtige Rolle im Ökosystem der Erde. Darüber hinaus sind sie für die Gewinnung von Biogas essenziell. Die Grundlagenforschung von Professorin Ruth Schmitz-Streit vom Institut für Allgemeine Mikrobiologie der CAU ermöglicht daher ein immer besseres Verständnis unserer Umwelt und ihrer Ressourcen.
Einsträngige Spiralen
In ihrer neuen Studie konzentrieren sich Schmitz-Streit und ihr Doktorand Dominik Jäger sowie Claudia Ehlers auf das exemplarische Archaeon Methanosarcina mazei. In der mikroskopisch kleinen Zelle haben sie Prozesse entdeckt, die von der Stickstoffkonzentration außerhalb der Zelle abhängig sind und von kleinen RNAs gesteuert werden. Kleine regulatorische RNAs sind kurze, einsträngige Spiralen, denen in der Gruppe der Archaeen bislang keine eigenständige Funktion zugeordnet wurde.
Zu den bisher bekannten Aufgaben von RNAs zählen, dass sie zum einen als Botenstoff für Erbinformationen fungieren – messenger-RNA -, zum anderen die Umsetzung des genetischen Materials in Proteine ermöglichen (Translation durch ribosomale RNA und transfer-RNA).
Lageplan des Zellzustandes erstellt
Schmitz-Streit und Jäger konnten nun unter Anwendung einer neu entwickelten Methode eine Art Lageplan des Zellzustandes, eine Transkriptionskarte, erstellen. Durch Veränderungen der Stickstoffkonzentration wurde der Organismus in künstliche Stresssituationen versetzt. Unter diesen Bedingungen haben sich nach Angaben der Forscher Abweichungen in der Struktur der Zelle gezeigt, die auf eine regulierende Wirkung der kleinen RNAs hindeuten.
RNAs kontrollieren genetischen Informationsaustausch
Das bedeutet aus Sicht der Wissenschaftler, dass kleine RNAs in Interaktion mit einigen messenger-RNAs treten und hierdurch bei Stickstoffmangel die Umsetzung in Proteine stimulieren. Indem sie zwischen den Prozessen der Transkription und Translation eingreifen und die Proteinproduktion beeinflussen, steuern die kleinen RNAs indirekt die Aufgaben der Zelleiweiße.
So kontrollieren sie auch den genetischen Informationsaustausch, der durch so genannte Transposons – „springende Gene“ – erfolgt, ein Prozess, der durch ein Protein, die Transposase, ermöglicht wird.
Vertikaler und horizontaler Gentransfer
Bei der Übertragung von Erbgut unterscheidet man zwischen dem vertikalen Gentransfer, der während der Fortpflanzung erfolgt, und dem horizontalen Gentransfer, bei dem ein oder mehrere Gene mithilfe von Transposons von einer Zelle zur nächsten gelangen. Diese Prozesse zu verstehen hilft nach Ansicht der Wissenschaftler, die Veränderungen im Ökosystem der Erde nachvollziehen zu können. Ein erster Schritt für die Gruppe der Archaeen ist nun durch die Studie der Kieler und Berliner Wissenschaftler getan.
„Es ist ganz wichtig zu wissen, dass Archaeen nach der Transkription regulierend eingreifen können“, so Schmitz- Streit. „Diese Erkenntnis können wir nutzen, um die Untersuchungen auf im Menschen vorkommenden Archaeen auszuweiten und mehr über den horizontalen Gentransfer zu lernen.“
(idw – Universität zu Kiel, 08.12.2009 – DLO)