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Neurobiologie

Augenbewegungen mathematisch erklärt

Wie wir Objekten mit den Augen folgen

Wenn unsere Aufgen einem Objekt mit den Augen folgen, ist diese scheinbar so simple Bewegung das Ergebnis einer komplexen Steuerung im Gehirn. Wie diese funktioniert, haben Wissenschaftler jetzt mithilfe eines mathematischen Modells simuliert und dann experimentell getestet.

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Wenn wir einem sich bewegenden Objekt mit den Augen folgen, berechnet das Gehirn dazu die Geschwindigkeit des Objektes und passt die Augenbewegung dementsprechend an. Das allein ist schon eine enorme Leistung, aber das Gehirn kann noch mehr. Zieht ein Auto an uns vorbei, wird es sicherlich schneller beschleunigen oder bremsen, als ein Fußgänger. Dementsprechend reagiert auch die Steuerung der Augenbewegung auf Geschwindigkeitsänderungen von schnellen Objekten sensitiver, als auf die von langsamen Objekten. „Gain Control“ (Verstärkungskontrolle) heißt dieses Phänomen im Fachjargon.

Wo im Gehirn die Verstärkungskontrolle berechnet wird und welche neuronalen Verschaltungen dem zu Grunde liegen, haben Wissenschaftler um Ulrich Nuding, Stefan Glasauer und Ulrich Büttner vom Bernstein Zentrum für Computational Neuroscience und der Ludwig-Maximilians-Universität München in einem mathematischen Modell postuliert und experimentell überprüft. Ihre Ergebnisse sind auch für die Diagnose von Augenbewegungsstörungen relevant.

Modell simuliert Verschaltungen

Sowohl aus Verhaltensexperimenten am Menschen als auch aus neurophysiologischen Studien ist schon einiges über die Steuerung der Augenbewegung bekannt. Zum Beispiel weiß man, dass verschiedene kortikale Hirnregionen bei der Entstehung der Augenfolgebewegung beteiligt sind: die Area MST im parieto-temporalen Kortex und die frontalen Augenfelder (FEFs). Dabei spiegeln Nervenzellen in der Area MST vor allem die Geschwindigkeit der Augen- oder Zielbewegung wider, wohingegen die Zellen der FEFs vor allem auf Änderungen der Geschwindigkeit reagieren. Ziel der Münchner Wissenschaftler war es, diese Erkenntnisse in einem Computermodell, das die

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Augenbewegungssteuerung erklärt, zusammenzuführen.

Das Modell der Wissenschaftler simuliert die wichtigsten Verschaltungen, die zur Steuerung der Augenfolgebewegung nötig sind.In der Area MST wird die Geschwindigkeit des Zielobjektes berechnet, um diese mit der momentanen Augengeschwindigkeit zu vergleichen und daran anzupassen. Die FEFs sind der postulierte Ort derVerstärkungskontrolle: hier wird die Sensitivität der Augenbewegung für Geschwindigkeitsänderungen festgelegt. Je schneller sich ein Objekt bewegt, desto größer die Anpassungsfähigkeit. „Damit ist es uns erstmals gelungen, zu erklären, wofür die parallelen anatomischen Pfade in der Verarbeitung gut sind“, sagt Glasauer.

Experimente bestätigen Modell

Zur Überprüfung des Modells ließen die Wissenschaftler zusammen mit Kollegen am University College London Probanden einem Punkt auf dem Bildschirm mit den Augen folgen. Die Aktivität der FEFs wurde dabei kurzzeitig durch Transkraniale Magnetische Stimulation gestört, eine Technologie, mit der gezielt bestimmte Gehirnregionen für wenige Sekunden beeinflusst werden können. Diese Experimente bestätigten die Vorhersagen des Modells. So lange sich das beobachtete Objekt mit konstanter Geschwindigkeit bewegte, wirkte sich eine Störung der FEFs kaum auf die Augenbewegungssteuerung aus.

Die Sensitivität der Augenbewegung für Geschwindigkeitsänderungen aber nahm bei gestörter FEF bei höheren Geschwindigkeiten nicht ausreichend zu. Demnach wird in den FEFs die Verstärkungskontrolle in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit des Auges oder des Ziels ermittelt. Diese Sensitivitätsänderung weist interessante Parallelen zur visuellen Aufmerksamkeitssteuerung auf, bei der ebenfalls die FEFs eine wichtige Rolle spielen, und kann daher als Aufmerksamkeitsmechanismus im Augenfolgesystem betrachtet werden.

(Nationales Bernstein Netzwerk Computational Neuroscience, 06.10.2008 – NPO)

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