Das Genom von Laccaria bicolor, einem Speisepilz mit wichtigen Funktionen für das Ökosystem Wald, ist entschlüsselt: Gelungen ist dies einem internationalen Forscherkonsortium, dem Experten aus den USA, Frankreich, Schweden, Belgien und Deutschland angehören. Sie berichten über die Sequenzierung der Laccaria-DNA, die eine ähnlich hohe Anzahl von Genen wie die menschliche DNA aufweist, in der jüngsten Ausgabe der Wissenschaftszeitschrift „Nature“.
Ihre Untersuchungen geben unter anderem Aufschluss über die Stoffwechselfunktionen von Laccaria, der als „Bodenpilz“ eine enge Symbiose mit den Wurzeln von Bäumen eingeht.
Laccaria als Fädenspinner
Laccaria bicolor – der Zweifarbige Lacktrichterling – ist essbar, hat vor allem aber Bedeutung als Mykorrhizapilz. Ein solcher Pilz lebt unterirdisch mit Baumwurzeln in einer engen Partnerschaft und versorgt auf diese Weise Bäume mit mineralischen Nährstoffen aus dem Boden. Damit besitzt er eine wichtige Funktion im Ökosystem, denn in geschädigten Lebensräumen nimmt die Besiedlung der Wurzeln mit Mykorrhizapilzen ab, und der Baumbestand ist anfälliger für Krankheiten.
Laccaria ist dabei in der Lage, im Erdreich viele Kilometer lange, fast unsichtbare, feine miteinander vernetzte Fäden zu spinnen. Um herauszufinden, wie es dem Pilz gelingt, Baumwurzeln zu erkennen, sie zu umwickeln und mit den Wurzelzellen in Kontakt zu treten ohne sie zu zerstören, haben die Forscher seine DNA sequenziert. Dabei hat sich herausgestellt, dass Laccaria ungefähr 20.000 Gene besitzt, während ein gut bekannter Pilz, die Bäckerhefe, sein Leben mit einer DNA aus nur 6.200 Abschnitten bestreiten kann. Zum Vergleich: Der Mensch besitzt rund 20.000 bis 25.000 Gene.
Fettsäuren ohne Ende
Göttinger Forscher um Professorin Andrea Polle, Professorin Ursula Kües und Professor Ivo Feußner vom Zentrum für Molekulare Biowissenschaften haben innerhalb des Projektes den Stoffwechsel von Laccaria untersucht und festgestellt, dass der Pilz sehr hohe Mengen an ungesättigten Fettsäuren enthält. Für die Fettproduktion verfügt der Pilz über eine molekulare Ausstattung, die denen von Tieren stark ähnelt. Für Polle und Feußner ein überraschendes Forschungsergebnis, denn die „Maschinerie“ für Fettbiosynthese in den näheren Verwandten, der Bäckerhefe, ist anders aufgebaut.
Laccaria bicolor erhält die Vorstufen für das Fett in Form von Zucker aus der Pflanzenwurzel; dieser wird umgewandelt und als Fett-Tröpfchen in den Zellen angehäuft. Ist der Pilz nicht an die Wurzeln einer Pflanze angeschlossen, überlebt er als sogenannter Saprophyt von abgestorbenen Pflanzenteilen.
Arsenal an Verdauungsenzymen
Wie Kües gezeigt hat, verfügt Laccaria über ein reichhaltiges Arsenal an Verdauungsenzymen, die nach außen abgegeben werden und dort für die Freisetzung von Nährstoffen sorgen. Sehr viel komplizierter ist dagegen die Fortpflanzung: Viele Pilze, darunter auch Laccaria, haben multiple Geschlechter – vielleicht bis zu 1.000 verschiedene.
Die Ergebnisse des Genomprojekts bilden die Basis für weiterführende Untersuchungen. So wollen die Wissenschaftler in einem nächsten Schritt unter anderem herausfinden, wie sich die Pilze kreuzen und auf welche Weise Laccaria bicolor seine Baumpartner findet und schützt. Auch die Nutzung des Pilzgenoms für die Produktion gesundheitsfördernder Stoffe ist für die Forschung von Interesse.
(idw – Universität Göttingen, 12.03.2008 – DLO)