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Spurensuche im Hornstein

Wie Mutter Natur Ökosysteme für Millionen Jahre konserviert

Farnblättchen mit darunter ansitzenden, leeren Sporenbehältern. Der wasserklare Chalzedon ermöglicht hier ein gutes Erkennen der dreidimensionalen, zellerhaltenen Pflanzenreste. (Kiesgrube Nobitz, Thüringen) © Ralph Kretzschmar, Museum für Naturkunde Chemnitz

Kann man eine Pflanze samt ihrer dreidimensionalen Struktur für mehrere Millionen Jahre erhalten? Das klingt zunächst einmal relativ einfach, entpuppt sich aber schon bald als echte Herausforderung. Einfrieren? Scannen? Ein virtuelles 3D-Modell auf CD brennen? Was dem Menschen Kopfzerbrechen bereitet, hat die Natur längst gelöst. Und zwar mit fantastischen Ergebnissen: Nicht nur einzelne Pflanzen, sondern ganze Lebensräume hält sie seit Jahrmillionen in Kieselgesteinen für die Erforschung durch heutige Wissenschaftler bereit.

„Bekanntestes Beispiel für ein solches eingekieseltes, terrestrisches Ökosystem ist der Hornstein von Rhynie in Schottland. Frühe Landpflanzen wurden hier zusammen mit ihren Bewohnern wie beispielsweise Spinnen und Milben auf wunderbare Weise von den Wässern heißer Quellen vor circa 400 Millionen Jahren konserviert.“, sagt Ralph Kretzschmar vom Museum für Naturkunde in Chemnitz.

Forscher wissen mittlerweile aber, dass es sich beim so genannten „Rhynie Chert“ nicht um eine Ausnahmeerscheinung handelt. Weitere erdgeschichtliche Epochen warten mit ähnlichen Bildungen auf. Vor allem das Permokarbon vor circa 300 Millionen Jahren mit seinem ausgeprägten Vulkanismus im heutigen Europa, war besonders produktiv. „Dabei wurden Pflanzenorgane samt ihrer kompletten Struktur erhalten, die wir sonst – wenn überhaupt – nur als Fossilienabdruck kennen.“, erläutert Kretzschmar. Dazu gehören zum Beispiel Wurzeln, Rinden, Zweige, Zapfen und Blättchen einschließlich ihrer „Mitbewohner“ wie Pilze, Krebse oder Schnecken.

Ein Haken an der Sache

Virtuelles 3D-Modell eines Farnwedelabschnittes. Unten zu sehen ein schräg durch die Struktur gelegter Schnitt. Ähnliche, scheinbar chaotisch wirkende Figuren finden sich auf den Schnittflächen rotliegendzeitlicher Kieseltorfe. © Ralph Kretzschmar, Museum für Naturkunde Chemnitz

Doch nicht immer ist es für Paläontologen einfach, den Siliziumdioxid-haltigen Gesteinen und ihren Rätseln auf die Spur zu kommen. So werden beispielsweise Fossilien enthaltende Hornsteine oft umgelagert aufgefunden, das primäre, weichere Umgebungsgestein wurde erodiert. „Der fossile Inhalt bleibt erhalten, wird manchmal sogar besser erkennbar, doch der geologische Kontext geht verloren.“, beschreibt Kretzschmar eines der Kernprobleme der Wissenschaftler.

Wie wichtig beispielsweise die exakte Einordnung in eine Schichtenfolge ist, zeigt ein Beispiel: In Anbetracht der gewaltigen Glutwolkeneruption, die den versteinerten Wald von Chemnitz konservierte, lag die Vermutung nahe, dass es sich bei den massenhaft auftretenden Pflanzenfragmenten in der „Hornsteinplatte“ aus Chemnitz-Altendorf um gewaltsam abgerissene Blätter und Zweige handelt.

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„Erst genaue Beobachtungen in den primären Ablagerungen zeigten, dass sich die Hornsteinlinsen innerhalb von bereits umgelagerter Vulkanasche, im oberen Bereich der Schichtfolge, gebildet hatten. Die enthaltenen Pflanzen waren demnach eher Pioniere der Wiederbesiedelung als Opfer einer Katastrophe!“, fasst der Paläobotaniker zusammen.

Auswertung der Steine oft problematisch

Ein anderes Problem betrifft die Auswertung der Steine. Gängige Praxis ist das Zersägen und Anpolieren der Fundstücke. Für Kieselhölzer können auf diese Weise definierte Ansichten der Zellstruktur erzeugt werden, anhand derer eine Bestimmung erfolgt. Bei Kieseltorf sind auf Anschliffen dagegen „nur“ zweidimensionale, wahllose Schnittbilder vieler dreidimensionaler Strukturen zu sehen. „Stellen wir uns zum Beispiel vor, einen Busch schräg abzuschneiden und nur das zweidimensionale Bild der Schnittfläche zu sehen, würden wir das Gewächs erkennen? Wohl kaum!“, sagt Kretzschmar.

Schräger Schnitt durch einen Zweig mit ansitzenden Blättchen aus der Donnersberg-Formation (Rheinland-Pfalz). Der Aufbau der einzelnen Organe ist zellgenau erkennbar. © Ralph Kretzschmar, Museum für Naturkunde Chemnitz

Abhilfe schaffen können Serienschnitte und Rekonstruktionen mittels virtueller 3D-Modelle. Diese Methoden der Datengewinnung sind aus Sicht der Wissenschaftler vielversprechend, aber auch aufwändig und teuer. Demnächst sollen zudem zerstörungsfreie Verfahren wie Computertomographie oder Ultraschalldiagnostik auf ihre Verwendbarkeit geprüft werden.

Doch auch in Zukunft sind vor allem kostengünstige, einfache Methoden gefragt. „Ein prüfender Blick in andere Fachgebiete kann dabei sicher nicht schaden.“, meint Kretzschmar.

Was der Sammler nicht kennt…

Doch wie kommen Wissenschaftler eigentlich an die Hornsteine mit ihren wertvollen Fossilien, die zur Erforschung und Rekonstruktion ehemaliger Ökosysteme führen können? Was der Sammler nicht kennt, hebt er nicht auf: Anfangs waren es Achat- und Kieselholzenthusiasten, die immer wieder interessante Funde in Kiesgruben und auf Feldern machten, teils ohne sie zu erkennen. In den letzten Jahren bildete sich dann eine regelrechte Hornstein-Fangemeinde heraus, die als Kontaktmöglichkeit und Informationsquelle www.kieseltorf.de nutzt.

Wichtigstes Anliegen dieser nichtkommerziellen Internetpräsenz ist es, fossilführende Hornsteine bekannter zu machen. „Jährlich stattfindende Workshops im Museum für Naturkunde Chemnitz zeigen das große Interesse einer wachsenden Gruppe von Begeisterten. Die Aufsammlung und wissenschaftliche Bearbeitung fossilführender Hornsteine ist in Chemnitz nicht nur als historische Verpflichtung sondern auch als äußerst zukunftsträchtiges Betätigungsfeld erkannt worden.“, so Kretzschmar abschließend.

(Ralph Kretzschmar, Museum für Naturkunde Chemnitz, 23.11.2007 – DLO)

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