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Astronomie

„Stellare DNA“ der Milchstraße entschlüsselt

Neue Methode ermöglicht Erstellung eines “stellaren Stammbaum“ unserer Galaxie

Sternenhaufen Collinder 261. © ESO

Mithilfe eines neuen Verfahrens und dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte sind Astrophysiker der Enträtselung des Milchstraßenursprungs ein großes Stück näher gekommen. Sie können jetzt erstmals genaue chemische Fingerabdrücke einzelner Sterne und Sternenhaufen bestimmen und so im Laufe der Zeit daraus eine Art „stellaren Stammbaum“ für unsere Heimatgalaxie zusammenstellen.

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Die Entstehung und Entwicklung von Galaxien, und besonders der Milchstraße, unserer Heimatgalaxie, gehört nach wie vor zu den größten Rätseln der Astrophysik: Noch immer fehlt ein detailliertes physikalisches Szenario, das die beobachteten Phänomen lückenlos erklären könnte. Jetzt haben Forscher der Europäischen Südsternwarte (ESO) um Gayandhi De Silva eine neue Methode entwickelt, um die chemische Zusammensetzung von Sternen, Galaxien und Sternenhaufen leichter zu analysieren und so vielleicht das kosmische Rätsel zu lösen.

Sternenhaufen als „fossile DNA“ der Galaxie

Die Astronomen setzten für ihre Untersuchungen den „Ultraviolet and Visual Echelle Spectrograph (UVES)“ am Very Large Telescope der ESO auf dem Paranal in Chile ein. Damit visierten sie Sternenhaufen in der Milchstraße an. „Galaktische Sternenhaufen sind Zeugen der Entstehungsgeschichte der galaktischen Scheibe“, erklärt Kenneth Freeman, ebenfalls ESO-Forscher an dem Projekt. „Die Analyse ihrer Zusammensetzung ist wie das Studium alter Fossilien. Wir jagen gewissermaßen Stücke der galaktischen DNA!“

Offene Sternenhaufen bestehen aus zehn bis mehreren tausend Einzelsternen, die über Anziehungskräfte miteinander verbunden sind. Je nach Haufen reicht das Alter der darin enthaltenen Sterne von wenigen Millionen bis hin zu zehn Milliarden Jahren. Die bekannten Pleiaden beispielsweise, das „Siebengestirn“ gehören zu den hellen, jungen Sternenhaufen, der Haufen Collinder 261, rund 250.000 Lichtjahre vom galaktischen Zentrum der Milchstraße entfernt, gehört zu den ältesten bekannten seiner Art. Er wurde darum von den Astronomen als eines der Untersuchungsobjekte ausgewählt.

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Chemische Zusammensetzung gibt Hinweis auf Bildungsregion

Im Mittelpunkt standen rund ein Dutzend roter Riesensterne im Sternenhaufen Collinder 261. Rote Riesen eigenen sich besonders gut für genaue Messungen, da sie lichtstark sind und aus der Strahlenzusammensetzung gut auf die chemische Zusammensetzung geschlossen werden kann. “Wir haben in großer Detailtiefe die chemische Zusammensetzung von Sternen in drei Sternenhaufen analysiert und gezeigt, dass jeder Cluster ein hohes Niveau an Homogenität und eine sehr spezielle chemische Signatur besitzt“, erklärt da Silva. „Das bereitet den Weg, um Sterne unserer Galaxie auf bestimmte Sternenbildungsregionen zurückzuführen und damit die Geschichte der Milchstraße zu enthüllen.“

“Die hohe Homogenität in den Sternen deutet darauf hin, dass die chemische Information über mehrere Milliarden Jahre überdauerte”, so da Silva weiter. „Daher können alle Sternen im Cluster mit der gleichen prähistorischen Sternenbildungswolke in Zusammenhang gebracht werden. Das hat sich auch in zwei anderen Sternenhaufen bestätigt.“ Ein Vergleich mit einem sehr viel jüngeren Sternenhaufen zeigt darüber hinaus, dass dieser zwar die gleichen Elemente enthielt, aber dass deren Anteile sich jeweils unterschieden. Dies deutet darauf hin, dass jeder Sternenhaufen möglicherweise aus einer eigenen Sternebildungsregion hervorgegangen ist.

Stellarer Stammbaum rückt in greifbare Nähe

“Die Konsequenzen dieser Beobachtungen sind faszinierend”, so Freeman. „Das Alter der offenen Sternenhaufen deckt die gesamte Lebenszeit der Galaxie ab und jeder von ihnen scheint aus einem anderen Stück des ‚Teigs’ hervorgegangen zu sein. Jeder von ihnen hat eine ganz eigene chemische Signatur.“ Jetzt wollen die Astronomen mithilfe ihrer neuen Methode auch weitere Sternenhaufen anvisieren. Ist die „DANN“ jedes Clusters einmal bestimmt, lässt sich damit der stellare Stammbaum der Milchstraße erstellen.

“Der Weg zu einer routinemäßigen Nutzung des chemischen Tagging ist noch lang”, erklärt Da Silva. “Aber unsere Studie zeigt, dass es grundsätzlich möglich ist. Wenn die Technik einmal getestet und bestätigt ist, werden wir damit fähig sein ein detailliertes Bild der Entstehung unserer Galaxie zu bilden.“

(ESO, 23.03.2007 – NPO)

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