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Neurobiologie

Männer und Frauen denken woanders

Gleiche Aufgaben werden in unterschiedlichen Gehirnbereichen gelöst

Männer sind anders, Frauen auch – dieser Spruch ist ebenso wenig neu, wie die Erkenntnis, dass beide Geschlechter sich in Sprache und räumlicher Orientierung unterscheiden. Eine neue Studie, erschienen in der Fachzeitschrift „Brain and Language“ zeigt jetzt jedoch, dass Männer und Frauen für diese Aufgaben tatsächlich auch jeweils andere Gehirnbereiche nutzen.

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Die Unterschiede zwischen beiden Geschlechtern in sprachlichen oder Orientierungs-Aufgaben sind in der Wissenschaft inzwischen gut dokumentiert. Strittig war aber noch, ob beide Geschlechter dabei tatsächlich auch verschiedene Gehirnbereiche nutzen. Bisherigen Studie boten nur selten Ergebnisse, die in punkto Gehirnaktivität eine echten Vergleich ermöglichten. Die Forscherinnen Laurie Cutting und Amy Clements vom Kennedy Krieger Institute in Baltimore setzten jetzt das bildgebende Verfahren der funktionellen Magnetresonanztomographie ein, um die Gehirnaktivität von 30 Erwachsenen Probanden beiderlei Geschlechts zu analysieren, während diese standardisierte Aufgaben aus dem Bereich der Sprache oder der räumlichen Orientierung lösten.

Wortpaare und kippende Linien

Im Sprachtest wurde den Probanden jeweils ein Paar von aussprechbaren aber sinnlosen Vier-Buchstaben-Wörtern gezeigt. Reimten sich beide, sollten sie mit einen Knopf mit ihrem rechten Zeigefinger drücken, reimten sie sich nicht, einen Knopf mit ihrem linken. Im Test zur räumlichen Orientierung erschien ein Fächer aus neun blauen und zwei gelben Linien auf dem Bildschirm, darüber zwei weitere gelbe Linien. Die Teilnehmer sollten nun entscheiden, ob die beiden einzelnen Linien in die gleichen Richtung zeigten, wie die gelben Linien im Fächer oder nicht. Wieder entschied der Druck mit dem rechten oder linken Zeigefinder über die Antwort. Um eine Vergleichbarkeit zu gewährleisten, waren alle Probanden Rechtshänder, hatten Englisch als Muttersprache und einen vergleichbaren Bildungsstand.

Gehirnaktivität verschieden

Die Versuche ergaben deutliche Unterschiede zwischen den Teilnehmern beider Geschlechter. Die Frauen nutzen beim Sprachtest beide Gehirnhälften im Bereich der Region namens niederer frontaler Gyrus, die Männer dagegen verarbeiteten diese Aufgaben vornehmlich links. Umgekehrt verhielt es sich bei dem räumlichen Test: Hier zeigten die Männer eine stärkere bilaterale Aktivierung als die Frauen, die vorwiegend die rechte Gehirnhälfte einsetzten.

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“Was wir am erstaunlichsten fanden war, dass Männer und Frauen bei den Aufgaben gleich abschnitten, sie nutzen nur unterschiedliche Gehirnbereiche, um sie zu lösen”, erklärt Clements. „Diese Studie bildet die Basis, um auch frühe entwicklungsbiologische Präferenzen zu verstehen, die sich bei Jungen und Mädchen unterscheiden könnten. Zukünftige Untersuchungen könnten auf dieser Grundlage zu verbesserten Bildungsmaßnahmen für männliche und weibliche Kinder führen.“

Basis für Behandlung von Defiziten

Angesichts deutlicher Unterschiede schon im Kindesalter – so werden Jungen mehr als doppelt so häufig mit ADHD diagnostiziert und schneiden häufiger unterdurchschnittlich in akademischen Aufnahmetests ab – könnte Studie wie diese zudem wichtige Aufschlüsse darüber geben, ob solche Unterschiede entwicklungsbiologische, soziale oder hormonelle Ursachen haben und welche von ihnen in welchem Alter stärker oder schwächer auftreten. „Nur wenn wir verstehen, wie normale Gehirnentwicklung aussieht, können wir auch unsere Fähigkeiten verbessern, kindliche Lern- oder Vehaltensdefizite zu behandeln“, so Clement.

(Kennedy Krieger Institute, 19.07.2006 – DLO)

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