Eine bisher unbekannte Variante des Milzbranderregers haben jetzt deutsche Wissenschaftler bei drei toten Schimpansen und einem Gorilla im Dja-Reservat in Kamerun entdeckt. Das zeigt nach Ansicht der Forscher, dass Milzbrandbakterien (Bacillus anthracis) als Todesursache wild lebender Menschenaffen weiter verbreitet sind als bisher vermutet.
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Die in dem Online-Journal PLoS Pathogens veröffentlichten Ergebnisse haben auch eine Bedeutung für Industriestaaten. So ist nicht auszuschließen, dass einige der bisher bei Milzbrandverdacht verwendeten Nachweisverfahren diese neue Erregervariante nicht feststellen können. „Das unterstreicht die Notwendigkeit, moderne Diagnostikverfahren ständig zu überprüfen und zu verbessern, insbesondere bei Erregern wie Bacillus anthracis, die für bioterroristische Anschläge eingesetzt werden könnten“, kommentierte Reinhard Kurth, Präsident des Robert Koch-Instituts, die Neuentdeckung.
Bakterien breiteten sich unbemerkt aus
Die Forschergruppe vom Robert Koch-Institut und dem Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie um Fabian Leendertz und Heinz Ellerbrok hatte bereits im Jahr 2004 im Fachmagazin Nature die ersten jemals beobachteten Fälle von Anthrax bei wild lebenden Schimpansen vorgestellt. Der Fund der neuen Variante zeigt, dass Bacillus anthracis wesentlich variabler ist als bisher angenommen.
Die molekularbiologischen Analysen belegen, dass diese neue als Bacillus anthracis F (forest strain) bezeichnete Subgruppe sich deutlich von dem klassischen B. anthracis unterscheidet. Sie muss sich nicht nur sehr früh in der Evolution von den anderen Mitgliedern dieser Bakteriengruppe abgespalten haben, sondern hat sich auch bisher unbemerkt in West- und Zentralafrika verbreitet.
Warum der Erreger nur in den Regionen des afrikanischen Regenwaldes und bisher nur im Zusammenhang mit Todesfällen bei Menschenaffen aufgefallen ist, soll jetzt im Rahmen einer Initiative untersucht werden, die von Verhaltensforschern und Laborwissenschaftlern unter Führung von Christophe Boesch vom Max-Planck Institut für Evolutionäre Anthropologie und Georg Pauli vom Robert Koch-Institut vor knapp zwei Jahren gegründet wurde.
Regenwald als Quelle für Krankheiterreger?
Möglicherweise sind solche Infektionen bisher unentdeckt geblieben, weil einige der bisher verwendeten Nachweisverfahren diese neue Erregervariante nicht feststellen können.
„Die Ergebnisse zeigen auch, dass in den tropischen Regenwäldern ein unbekanntes Potenzial an Krankheitserregern vorhanden ist“, unterstreicht Kurth. Durch die Zerstörung der Regenwälder rücken Menschen und im Regenwald lebende Tiere immer näher zusammen.
Das Risiko steigt, dass der Mensch in engen Kontakt mit neuen Krankheitserregern oder neuen Varianten von bekannten Erregern kommt. Die lokale Bevölkerung ist insbesondere durch Infektionserreger bedroht, die über Wilderei und den zwar verbotenen, aber immer noch vorkommenden Handel und Verzehr von Fleisch aus den Regenwäldern, dem „Bushmeat“, übertragen werden können.
(idw – Robert Koch-Institut, 02.02.2006 – DLO)