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Genetik

DNA: Doch kein eindeutiger Code?!

Hefeart stellt Regeln der Genetik auf den Kopf

Der genetische Bauplan aller Lebewesen setzt sich aus Abfolgen vier chemischer Basen zusammen. © Ktsimage/ iStock.com

Translation nach dem Zufallsprinzip: Forscher haben eine Hefeart entdeckt, die eine grundlegende Regel der Genetik auf den Kopf stellt. Denn eine bestimmte Abfolge von DNA-Basen wird bei ihr nicht immer in dieselbe Aminosäure übersetzt. Stattdessen wird im Falle der Basenkombination CTG zufällig zwischen zwei Varianten entschieden. Damit ist diese Hefe das erste bekannte Lebewesen, bei dem die Eindeutigkeitsregel des genetischen Codes ungültig ist.

Eigentlich ist die Sache klar: Unsere DNA enthält die Bauanleitung für all das, was uns ausmacht. Dieser genetische Code setzt sich aus Sequenzen vier chemischer Basen zusammen: Adenin, Thymin, Cytosin und Guanin, kurz A, T, C und G. Folgen aus drei Basen-Buchstaben werden in der Zelle jeweils in eine Aminosäure übersetzt – diese Verbindungen sind die Bausteine der für unseren Körper so wichtigen Proteine.

In der Schule haben die meisten von uns wahrscheinlich zwei weitere grundlegende Dinge über den Code des Lebens gelernt: Er ist eindeutig und universell. Das heißt, dass eine bestimmte Abfolge von Basenbuchstaben immer in dieselbe Aminosäure übersetzt wird – und zwar bei jedem Menschen und auch bei jedem anderen Organismus.

Von wegen universell

Doch Wissenschaftler um Stefanie Mühlhausen von der University of Bath haben nun Lebewesen entdeckt, die diese vermeintlich allgemein gültigen Regeln gehörig auf den Kopf stellen. Für ihre Studie untersuchten sie eine Gruppe von Hefeorganismen und stellten dabei fest: Während das Codon CTG bei fast allen Lebewesen die Aminosäure Leucin ergibt, wird sie bei manchen dieser Hefespezies in Serin übersetzt und wieder andere bauen daraus Alanin. Das bedeutet, dass der genetische Code offenbar doch nicht universell ist.

Diese Entdeckung allein ist schon ungewöhnlich, doch eine andere Hefeart kann das noch toppen. Denn während ihre Verwandten die Buchstabenfolge zwar anders übersetzen als etwa der Mensch, diesem Muster dann aber konsequent treu bleiben, macht Ascoidea asiatica etwas vollkommen Verrücktes: Diese Hefeart übersetzt CTG nicht immer gleich – sondern mal so und mal so.

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Würfelspiel um Aminosäuren

Wie die Forscher berichten, scheint die Hefe bei jeder Translation dieser Basenabfolge eine chemische Münze zu werfen. „Wir waren überrascht zu sehen, dass CTG in rund 50 Prozent der Fälle in Serin und in den anderen 50 Prozent in Leucin übersetzt wird“, sagt Mühlhausens Kollege Laurence Hurst.

Zum ersten Mal sei damit nun auch ein Lebewesen bekannt, bei dem die Eindeutigkeitsregel des Gencodes verletzt wird: „Das ist es, was dieses Genom einzigartig macht. Kennt man die DNA dieser Hefe, kann man daraus nicht mehr eindeutig das Protein vorhersagen“, konstatiert der Wissenschaftler.

Zwei Transport-RNAs

Wie aber kommt dieses seltsame Phänomen zustande? Weitere Untersuchungen offenbarten, dass Ascoidea asiatica für die Basenfolge CTG zwei unterschiedliche, miteinander konkurrierende tRNAs hat. Diese Transport-Ribonukleinsäuren sorgen bei der Translation dafür, dass die richtigen Aminosäuren an die wachsende Peptidkette des Proteins angehängt werden.

Bei Ascoidea asiatica wird je nach tRNA jedoch mal die eine, mal die andere Aminosäure an die wachsende Kette angedockt: „Wenn CTG übersetzt wird, wird zufällig eine der beiden tRNAs ausgewählt – und somit zufällig entweder Serin oder Leucin eingebaut“, berichtet Mitautor Martin Kollmar vom Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen.

Wo steckt der Sinn?

Diese Translation nach dem Zufallsprinzip scheint auf den ersten Blick wenig sinnvoll zu sein: „Serin mit Leucin auszutauschen könnte zu schwerwiegenden Problemen in einem Protein führen, denn beide Aminosäuren haben ziemlich unterschiedliche Eigenschaften“, erklärt Mühlhausen.

So findet sich Serin beispielsweise häufig auf der Oberfläche des Proteinmoleküls, während Leucin hydrophob ist und meist im Inneren liegt. Um dadurch entstehende Probleme zu vermeiden, hat Ascoidea asiatica einen wirkungsvollen Trick entwickelt, wie das Forscherteam herausfand: Die Hefe nutzt das Codon CTG einfach sehr selten – und scheint es vor allem bei den Bauanleitungen für Schlüsselproteine zu vermeiden.

Uraltes Prinzip

Doch wann hat sich diese Hefe ihre ungewöhnliche Ablese-Zwiespältigkeit zugelegt? Mühlhausen und ihre Kollegen berechneten, dass das Prinzip der zufälligen Übersetzung schon vor rund 100 Millionen Jahren entstanden sein muss. Die meisten engen Verwandten von Ascoidea asiatica verloren dann diese potenziell problematische Eigenschaft im Laufe der Zeit wieder.

„Warum diese eine Hefe das Prinzip so lange beibehalten hat, ist unklar. Womöglich gibt es einige seltene Situationen, in denen diese Beliebigkeit nützlich sein kann“, schließt Kollmar. (Current Biology, 2018; doi: 10.1016/j.cub.2018.04.085)

(University of Bath, 18.06.2018 – DAL)

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