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Geowissen

Erdatmosphäre wird „durchsichtiger“

Weltraumforscher ziehen CRISTA-Bilanz

Viele neue Erkenntnisse über die Erdatmosphäre hat das seit zehn Jahren laufende Weltraumforschungsprojekt CRISTA geliefert. Eine Bilanz der wichtigsten Ergebnisse der Messkampagne an Bord der Space Shuttle „Atlantis“ und „Discovery“ seit 1994 steht am 10. und 11.Januar 2005 im Mittelpunkt einer Konferenz in Wuppertal.

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Auf den beiden Flügen 1994 und 1997 hat das CRISTA-Gerät eine Riesen-Datenmenge geliefert, obwohl die Flüge des Spaceshuttle jeweils nur eine knappe Woche dauerten. Auswertung und Veröffentlichung dieser Daten sind noch längst nicht abgeschlossen. Die vier Institutionen kooperieren bei der Erforschung der mittleren Erdatmosphäre.

Die CRISTA-Ergebnisse stammen aus den unterschiedlichsten Forschungsbereichen. Mehrere Beiträge beschäftigen sich mit dem Ozon- und Klima-Problem. Die wichtigsten CRISTA-Resultate liegen aber auf dem Gebiet der so genannten Atmosphärendynamik, die sich mit Windsystemen, Wellenbewegungen und Turbulenzen befasst. Alle genannten Phänomene führen zu Transporten von Luftmassen in der Atmosphäre, die nicht nur in Bodennähe sehr wichtig sind. Beispielsweise ist das Ozon in der mittleren Atmosphäre nicht dort am dichtesten, wo es erzeugt wird (Tropen), weil es nämlich von dort wegtransportiert wird.

Turbulenzen, Schwerewellen und Gezeiten in der Atmosphäre untersucht

Die Tropopause, also die Oberkante der Wolken in ca. 15 Kilometern Höhe, spielt beim Klimaproblem eine wichtige Rolle. Hier wurde die Turbulenz der Atmosphäre gemessen, die unter anderem für die Ausbreitung von Spurengasen (Schadstoffen) wichtig ist. Ein Ergebnis: Es wurden circa 500 Prozent mehr Turbulenz festgestellt als bisher angenommen.

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Schwerewellen, eine von vielen Sorten von Wellen in der Atmosphäre (ähnlich wie im Ozean), beschleunigen oder bremsen die Winde im Höhenbereich 10 – 100 Kilometer. CRISTA hat erstmals diese Beschleunigungen quantitativ nachgewiesen. Beim Ozonverlust spielen Wolken eine entscheidende Rolle. CRISTA hat solche Wolken (Polarwirbel, Gebiet des Ozonlochs) erstmals ihrer Größe nach bzw. ihre zeitliche Entwicklung bestimmt. Vom Satelliten aus konnte erstmals ein bestimmter Wolkentyp eindeutig identifiziert werden. In Stratosphäre und Mesosphäre (20 – 80 km) konnten erstmals Rauchfahnen-ähnliche Spurengas-Verteilungen und ihre zeitliche Entwicklung nachgewiesen werden. Dies ist für das Verständnis des Transports – auch des Ozons – besonders wichtig.

In der oberen Mesosphäre (70 – 100 km) sind Infrarotmessungen schwierig, weil die Luft sehr dünn ist. Die Messungen sind aber umso wichtiger, weil dieser Höhenbereich Rückschlüsse auf die unterste Atmosphäre und so einen Beitrag zum Klimaproblem erlaubt. Erstmals wurden mit CRISTA Messungen der Temperatur und der Spurengase Kohlenmonoxid und Kohlendioxid durchgeführt.

Wie im Ozean gibt es auch in der Atmosphäre Gezeiten, und zwar vor allem in der Mesosphäre (50 – 100 km), die alle Verteilungen von Temperatur, Wind und Spurengasen bestimmen. Diese Wellen wurden erstmals von CRISTA mit höchster räumlicher Auflösung gemessen; dabei konnte ein bisher kaum bekannter Wellentyp nachgewiesen werden. In der mittleren Erdatmosphäre (20 – 50 km) gibt es – wie an Meeresufern – Brandungszonen mit wichtigen Einflüssen auf die Spurengasverteilung, auch des Ozons. CRISTA hat erstmals eine Brandung auch in der oberen Atmosphäre (60 – 90 km) nachgewiesen und detailliert untersucht.

Christa mit enormen räumlichen Auflösungsvermögen

Das CRISTA-Gerät ist für solche Messungen besonders gut geeignet.

Sein „räumliches Auflösungsvermögen“ ist enorm, weil die Feinheit des Rasters seiner Messpunkt erheblich größer ist als bei allen anderen früheren und selbst den gegenwärtigen Satellitengeräten. Ein Gerät mit vergleichbaren Leistungen wurde von der US-Weltraumbehörde NASA im Juli 2004 gestartet, funktioniert aber bisher nicht.

Der Grund für die Überlegenheit von CRISTA ist einerseits die Tiefkühlung (auf minus 270° Celsius) aller optischen Komponenten und andererseits die Verwendung von drei Infrarot-Teleskopen anstelle von nur einem Teleskop bei anderen Satelliten. CRISTA wurde nach seinen Flügen vom Space Shuttle zur Erde zurückgebracht und ist inzwischen im Deutschen Museum in München aufgestellt worden. Seit Mitte Dezember 2004 ist es dort der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Neue Arbeitsschwerpunkte

Die künftigen Arbeiten des genannten Institutsverbunds haben zwei Schwerpunkte: Zum einen wird in Zusammenarbeit mit dem Forschungszentrum Jülich ein verkleinerter Nachbau von CRISTA gebaut („CRISTA-NF“), der auf dem russischen Höhenforschungsflugzeug GEOPHYSICA im Rahmen des EU-Forschungsprogramms SCOUT im Laufe des Jahres eingesetzt werden soll. Es sind vor allem Messungen in den Tropen und im Tropopausenbereich – bis 20 Kilometer Höhe – vorgesehen.

Zum anderen betreiben die Wuppertaler Atmosphärenforscher bereits seit 1980 ein Infrarot-Gerät, das jede Nacht vom Boden aus die Atmosphärentemperatur in 87 km Höhe misst, das so genannte GRIPS-Gerät (Ground based Infrared P-Band Spectrometer). Diese Messungen zeigen, dass sich in den vergangenen beiden Jahrzehnten in der mittleren Atmosphäre ein deutlicher Klimawandel vollzogen hat.

Die Wuppertaler Messungen werden seit mehr als einem Jahr durch ein weiteres GRIPS-Gerät ergänzt, das im Observatorium Hohenpeißenberg des Deutschen Wetterdienstes aufgestellt wurde. GRIPS 3, in Wuppertal gebaut, soll in Kürze im Schneefernerhaus auf der Zugspitze in Betrieb genommen werden. Von dem GRIPS-Messnetz werden unter anderem wichtige Informationen über Wellen in der Atmosphäre erwartet.

(idw – Universität Wuppertal, 07.01.2005 – DLO)

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