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Verhalten

“Anti-Reifungsdroge” macht Jungbienen zu Babysitterinnen

Neu identifiziertes Pheromon reguliert Anteil von Sammlerinnen und Brutpflegerinnen im Bienenstaat

Honigbienen bei der Fütterung © Zachary Huang / Michigan State University

Wie schaffen es ältere Bienen, ihre jungen Stockgenossinnen zur Arbeit als „Babysitter“ anzuhalten? Wissenschaftler haben jetzt das chemische Rätsel um die Autorität der älteren gelöst. Sie entdeckten ein neues, schwer auszumachendes Pheromon, dass die jungen Honigbienen so lange „häuslich“ werden lässt, bis sie reif genug sind, um als Sammlerinnen auszufliegen.

Der Entomologe Zachary Huang von der Michigan State Universität vermutete bereits vor zwölf Jahren erstmals, dass ein Pheromon bei dieser Art der Arbeitsteilung m Spiel sein müsst, identifiziert werden konnte es jedoch erst jetzt. Huang erklärt den Sinn dieser Verhaltensregelung so: „Es ist das gleiche wie beim Menschen: Es braucht Ältere, um die Jungen anzuleiten und zu kontrollieren. Selbst wenn die Jungen physisch in der Lage sind, alleine hinauszugehen, ist es nicht die optimalste Situation. Und jetzt wissen wir, wie das verhindert wird.“

Fein austariertes Gleichgewicht

Die Bienen eines Stockes bilden so ein fein austariertes Gleichgewicht zwischen denjenigen, die im Inneren des Bienenstocks die Larven versorgen, und denjenigen, die ausfliegen und Pollen und Nektar sammeln. In der Regel sind es die letzen ein bis drei Wochen ihres nur fünf Wochen dauernden Bienenlebens, die eine Honigbiene als Sammlerin verbringt. Experimente zeigten, dass wenn ein großer Teil der Sammlerinnen nicht nach Hause zurückkehrte, die „Babysitterinnen“ vorzeitig reiften und früher als normal ihrerseits zu Sammlerinnen wurden. Anders herum reiften erheblich weniger Jungbienen zu Sammerlinnen heran, wenn die Sammlerinnen eines Stocks am Ausfliegen gehindert wurden.

„Kontrolleur“ gesucht

Die Frage aber war: Warum? Was steuert dieses Gleichgewicht? Gemeinsam mit Kollegen in den USA, Frankreich und Kanada suchte Huang nach dem entscheidenden Botenstoff, der hier im Spiel sein musste. Doch im Gegensatz zu den so genannten Releaser Pheromonen, die sofort wirken, schien es sich hier um ein so genanntes Primer Pheromon zu handeln, einen Botenstoff, der Verhaltensänderungen über einen längeren Zeitraum hinweg auslöst.

Ein Jahr lang suchten die Forscher, dann wurden sie fündig: Sie entdeckten, dass die Sammlerbienen eine ganze Ladung einer Chemikalie namens Ethyloleat in einem Reservoir im Hinterleib mit sicher herumtrugen. Nähere Analysen zeigten, dass es sich dabei tatsächlich um das gesuchte Primer-Pheromon handelte. Die Sammlerinnen produzieren es aus gesammeltem Nektar und verfüttern es an die Babysitterinnen im Stock. Diese werden durch das Ethyloleat in einer Art „Teenager“-Stadium gehalten – solange, bis die älteren Sammlerinnen weniger werden und damit auch die „Antireifungsdroge“.

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„Das liefert uns einen klaren Einblick in die Art, wie eine Bienenkolonie funktioniert“, erklärt Gene Robinson, Leiter des neurowissenschaftlichen Programms an der Universität von Illinois in Champaign-Urbana. „Das beeindruckenste an einer Kolonie ist ihre Fähigkeit, sich an verändernde Bedingungen anzupassen und ihre Arbeitsteilung flexibel zu verändern. Normalerweise fragt man sich bei einer solchen Anpassungsfähigkeit automatisch ‚Wer hat das Sagen?’. Deshalb sind Wissenschaftler fasziniert von dieser Art der dezentralen Entscheidungsfindung.“

(Michigan State University, 15.12.2004 – NPO)

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