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Van Allen Gürtel: Rätsel des dritten Rings gelöst

"Weltraum-Tsunami" aus Plasma verursacht temporären Zwischenring im Strahlengürtel

Der Van Allen Gürtel aus energiereichen Teilchen und Strahlung ist normalerweise zweiteilig. Im September 2012 jedoch bildete sich vorübergehend ein dritter Ring (rot). © Yuri Shprits, Adam Kellerman, Dmitri Subbotin/ UCLA

Gigantische Wellen: Forscher haben enträtselt, warum der Strahlengürtel der Erde manchmal einen kurzlebigen dritten Ring bildet. Schuld sind gewaltige niederfrequente Plasmawellen, die sich verstärken, wenn ein Sonnensturm die Erde trifft. Wie ein „Tsunami“ spülen sie Elektronen aus dem äußeren Strahlengürtel ins All hinaus. Das führt zu einer Zweiteilung des äußeren Gürtels und der dritte Ring erscheint, so die Forscher im Fachmagazin „Nature Physics“.

Seit den 1950er Jahren ist bekannt, dass unser Planet von einer mehrschichtigen Hülle aus energiereichen Teilchen und Strahlen umgeben ist, dem Van Allen Gürtel. Er schirmt uns wie ein Plasmaschild gegen Sonnenstürme ab. Die innere Schutzhülle als ultraschnell umherrasenden Elektronen verändert sich dabei hochdynamisch und bildet zeitweise eine Art Zebrastreifen-Muster aus.

Im Jahr 2012 jedoch entdeckten NASA-Raumsonden plötzlich einen dritten Strahlenring, der sich einige Wochen lang zwischen den beiden bekannten Ringen bildete und dann wieder verschwand. Analysen ergaben, dass dabei eine Art Sturm ultraschnelle Elektronen aus den beiden anderen Ringen herausgerissen haben muss. Der genaue Mechanismus aber blieb unklar, vermutet wurden unter anderem hochfrequente Streueffekte von Plasmawellen.

Es beginnt mit einem Sonnensturm

Das Geheimnis dieses dritten Rings haben nun Ian Mann von der University of Alberta und seine Kollegen gelüftet. „Wir haben eine sehr elegante Erklärung für die Dynamik des dritten Rings entdeckt“, so Mann. „Hat man die entscheidenden Prozesse einmal aufgedeckt, ist das Ganze bemerkenswert einfach.“

Wie die Forscher herausfanden, beginnt das Ganze mit einem Sonnensturm, der die Van Allen Gürtel und das Magnetfeld der Erde einwärts drückt. Dies führt dazu, dass sich sogenannte ultra-niederfrequente Plasmawellen (ULF-Wellen) im Gürtel aufschaukeln. „Während der Hauptphase solcher Stürme kann die Kraft dieser Wellen um mehrere Größenordnungen ansteigen“, berichten die Forscher. „Das hat einen Effekt, der sowohl fundamental als auch drastisch ist.“

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Plasma-Tsunami im All: Der anfangs noch ungeteilte äußere Van Allen Gürtel (hinten) wird von einer Plasmawelle ausgedünnt, es bleibt nur ein Restring zurück. Füllt sich dann der äußere Ring wieder auf, bleibt vorübergehend der Restring als dritter Ring stehen (vorne). © Andy Kale

„Weltraum-Tsunami“ fegt Elektronen ins All

Denn diese gigantischen Plasmawellen können vom Rand der Magnetosphäre bis an die Außengrenzen des Van Allen Gürtels reichen: „Wie ein Weltraum-Tsunami treffen sie auf die Strahlengürtel und spülen den äußeren Teil weit ins All hinaus“, erklärt Mann. Der äußere Van Allen Gürtel wird dadurch stark ausgedünnt und nur noch sein etwas dichterer innerer Rand bleibt erhalten.

Nach einiger Zeit schwappt die ULF-Welle wieder zurück und füllt so den äußeren Van Allen Gürtel wieder auf. Dabei jedoch bleibt zunächst eine Lücke zwischen dem erhalten gebliebenen Rest und den neu aufgefüllten Elektronenströmen bestehen. Dadurch erscheint der äußere Gürtel zeitweilig zweitgeteilt. „Diese beiden äußeren Elektronen-Gürtel und der stabilere, aus energiereichen Ionen gebildete innerer Ring erscheinen nun als dreiteilige Struktur“, erklärt Mann.

Diese dreiteilige Struktur ist jedoch nicht von Dauer. Denn Streueffekte im Van Allen Gürtel sorgen dafür, dass Elektronen aus dem anfangs klar abgetrennten dritten Ring nach außen driften. Innerhalb weniger Wochen verschmelzen dadurch die beiden äußeren Teilringe wieder, wie die Forscher erklären.

Die Entschlüsselung dieser Prozesse trage dazu bei, die Auswirkungen von Sonnenstürmen besser zu verstehen, sagen die Forscher. Dadurch lasse sich auch die Gefahr für Satelliten und Stromnetze besser vorhersagen. (Nature Physics, 2016; doi: 10.1038/nphys3799)

(University of Alberta, 22.06.2016 – NPO)

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