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Neurobiologie

Warum Frauen besser riechen können

Weiblicher Riechkolben enthält doppelt so viele Hirnzellen wie bei Männern

Frauen haben einen sensibleren Geruchssinn © freeimages

Sensibles Näschen: Frauen nehmen Gerüche sensibler wahr als Männer. Warum das so ist, haben jetzt brasilianische Forscher aufgedeckt. Demnach haben zwar beide Geschlechter fast gleich viele Riechrezeptoren in ihrer Nase, dafür besitzen Frauen fast doppelt so viele Neuronen im Riechkolben ihres Gehirns. Ihre Geruchsverarbeitung ist daher deutlich besser, wie die Forscher im Fachmagazin „PloS ONE“ berichten.

Beobachtungen und Experimente zeigen es: Frauen reagieren sensibler auf Gerüche als die meisten Männer. Warum das aber so ist, blieb bisher ein Rätsel. Denn Männer und Frauen besitzen ungefähr gleich viele Riechrezeptoren in der Nase, wie Untersuchungen ergaben. An einer besseren Aufnahme der Duftreize kann es daher eigentlich nicht liegen. Zudem ist das Volumen des Riechkolbens bei Männern sogar größer als bei Frauen, wie Hirnscans zeigen – auf den ersten Blick scheint also auch dort nicht die Erklärung für das feinere Näschen zu liegen.

Zellen zählen im Riechkolben

Oder vielleicht doch? Hirnscans können nur grobe Strukturen abbilden, wie Ana Oliveira-Pinto von der Universität von Rio de Janeiro und ihre Kollegen erklären. Die Zahl der Zellen in einem Hirnareal lässt sich damit nicht ermitteln – und dieses gibt meist ein besseres Bild der Komplexität und Leistungsfähigkeit eines Gehirnbereichs.

Um das Rätsel der weiblichen Geruchssensibilität zu lösen, nahmen sich Oliveira-Pinto und ihre Kollegen daher den Reichkolben echter Gehirne vor. Dafür holten sie von Angehörigen von 18 Verstorbenen – sieben Männern und elf Frauen – die Einwilligung ein, die Gehirne der Toten sezieren zu dürfen. Für ihre Studie lösten sie die Riechkolben der Toten heraus und ermittelten zunächst das Volumen dieses Areals. Dann lösten sie das Gewebe auf, so dass die einzelnen Zellen in einer Lösung schwammen und gezählt werden konnten.

Die Reize der Rezeptoren in der Nase gehen an die Riechkolben im Gehirn. © Patrick J. Lynch / CC-by-sa 2.5 gen

Doppelt so viele Hirnzellen

Das Ergebnis fiel überraschend deutlich aus: Obwohl der Riechkolben bei Frauen sogar etwas leichter war als bei den Männern, enthielt wie weibliche Variante erheblich mehr Zellen. 16,2 Millionen Zellen pro Riechkolben ermittelten die Forscher für die Frauen, nur 9,2 Millionen bei den Männern. Und bei den Neuronen, den für die Verarbeitung wichtigen Hirnzellen, war der Unterschied sogar noch deutlicher: Den 6,9 Millionen Neuronen bei den Frauen standen nur 3,5 Millionen Neuronen bei den Männern gegenüber – dies entspricht einer Differenz von 49,3 Prozent, wie die Wissenschaftler berichten.

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Auch wenn Größe und Masse des Riechkolbens berücksichtigt wurden, änderte sich dieses Bild nicht: Die Zelldichte war bei den Frauen fast doppelt so hoch. Das aber bedeutet auch, dass Mädchen schon mit diesem olfaktorischen Vorsprung geboren werden. Denn im Laufe des Lebens verändert sich die Zahl der Zellen im Riechkolben kaum, wie die Forscher erklären.

Gleiche Nase, aber differenziertere Verarbeitung

Aber erklärt die höhere Zellzahl auch die feinere Nase der Frauen? Nach Ansicht von Oliveira-Pinto und ihren Kollegen ist das durchaus der Fall. „Im Allgemeinen besitzen Gehirne mit einer größeren Anzahl von Zellen eine höhere funktionelle Komplexität“, erklären sie. Und gerade beim Reichkolben sei die Zahl der Hirnzellen sehr eng mit seiner Funktion verknüpft. „Es erscheint daher plausibel, dass eine größere Zahl von Neuronen im Riechkolben den Frauen auch eine größere Sensibilität für Geruchsreize verleihen“, sagt Seniorautor Roberto Lent von der Universität von Rio de Janeiro.

Die Aufnahme der der Geruchsreize und ihre Übertragung ans Gehirn ist dabei vermutlich bei beiden Geschlechtern gleich gut. Denn beide besitzen gleich viele Riechrezeptoren. Aber die Verarbeitung dieser Reize sei bei Frauen differenzierter als bei Männern, erklärt der Forscher. (PloS ONE, 2014; doi: 10.1371/journal.pone.0111733)

(Publicase Comunicação Científica, 07.11.2014 – NPO)

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