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Technik

Atomuhren: Strontium als neuer Zeitgeber?

Eine neue optische Atomuhr könnte den Standard der Zeitmessung revolutionieren

Strontiumatome (grün) im Lasergitter – sie bilden das Herz der neuen Atomuhr. © Brad Baxley and Ye Labs

Sie müsste fünf Milliarden Jahre laufen, um nur eine Sekunde falsch zu gehen: Ein neuer Typ von Atomuhr schlägt alle bisherigen Rekorde in punkto Genauigkeit und Präzision. Ihr Geheimnis: Strontium-Atome in einer Laserfalle dienen ihr als Zeitmesser. Diese Uhr ist die erste, die möglicherweise eine neue Definition der Zeiteinheit herbeiführen könnte. Denn sie übertrifft auch die bisher gültigen Cäsium-Referenzuhren bei weitem, so US-Forscher im Fachmagazin „Nature.

Bisher ist Cäsium das Maß aller Dinge – zumindest was die Zeitmessung betrifft. Denn die offizielle Referenz, die internationale Atomzeit, beruht auf den Messwerten von 260 weltweit verteilt stehenden Cäsium-Atomuhren. In ihnen wird Cäsium zunächst in einer Vakuumkammer verdampft und anschließend als Atomstrahl in eine sogenannte Mikrowellenkammer geschickt. Dort werden sie mit Mikrowellen bestrahlt.

Treffen diese Mikrowellen eine ganz bestimmte Frequenz, dann absorbieren die Cäsiumatome diese Energie und wechseln in einen anderen energetischen Zustand. Dabei verändern sich auch ihre magnetischen Eigenschaften. Am Ausgang der Mikrowellenkammer misst ein Magnetdetektor, bei welcher Mikrowellenfrequenz die meisten Cäsiumatome „umgeklappt“ sind. Diese Frequenz ist nun die Grundlage für die Zeitmessung: Genau 9.192.631.770 Schwingungen dieser Frequenz ergeben eine Sekunde. Diese Atomuhren laufen so präzise, dass sie in drei Millionen Jahren nur eine Sekunde falsch gehen würden.

Optisch geht es feiner, aber unpräziser

Aber es gibt noch genauere Methoden der Zeitmessung: optische Atomuhren. In ihnen wird nicht die Resonanz von Atomen mit Mikrowellen als Basis genutzt, sondern die atomare Resonanz mit Laserlicht. Dazu werden Atome bis nahe an den absoluten Nullpunkt heruntergekühlt und in einem Gitter aus Laserlicht gefangen gehalten. Dann werden sie mit einem weiteren Laser bestrahlt, der bei einer bestimmten Wellenlänge wieder einen Wechsel des Energiezustands bei den Atomen auslöst.

Der Vorteil dabei: Das Laserlicht schwingt mit einer sehr viel schnelleren Frequenz als die Mikrowellen und erlaubt damit eine noch feinere, genauere Justierung des Punktes, an dem die Atome ihren Zustand wechseln. Allerdings: Bisher krankten diese optischen Atomuhren daran, dass ihre Präzision bis zu 16-Mal geringer war als die von Cäsium-Atomuhren – Störeffekte ließen die Werte schwanken. Für einen neuen internationalen Standard kamen sie daher nicht in Frage.

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Die Strontium-Atomuhr im Labor von Ye und seinen Kollegen. © Ye group and Baxley/JILA

Neuer Weltrekord in gleich zwei Disziplinen

Doch jetzt ist es einem Forscherteam um Jun Ye vom National Institute of Standards and Technology (NIST) in Boulder gelungen, dieses Manko optischer Atomuhren wettzumachen. Sie stellen neueste Messungen mit einer optischen Strontium-Atomuhr vor, die einen neuen Weltrekord aufstellt – sowohl in Präzision als auch in der Genauigkeit.

Seit der Einführung eines neuen Typs von Cäsiumuhren in den 1990er Jahren hat das keine Uhr geschafft. Ihre Abweichung liegt drei Größenordnungen unter der der Cäsiumuhren, sie bräuchte statt einigen Millionen sogar einige Milliarden Jahren, um eine Sekunde vor oder nach zu gehen. Und noch ein Vorteil: Sie läuft so stabil und schwankungsfrei, dass schon wenige Sekunden der Messung ausreichen, um einen verlässlichen Wert zu erhalten.

Kalte Strontiumatome im Laserlicht

Das Innenleben der neuen Rekorduhr folgt dem Standardprinzip optischer Atomuhren: Einige tausend Strontiumatome werden extrem heruntergekühlt und dann in rund 100 pfannkuchenförmigen Fallen aus Laserlicht festgehalten. Die gefangenen Atome werden dann mit sehr stabilem roten Laserlicht bestrahlt und so zum Wechsel ihres Energiezustands angeregt.

Dieser Wechsel findet bei einer Frequenz des Laserlichts von 430 Billionen Schwingungen pro Sekunde statt – diese Uhr „tickt“ damit deutlich schneller als die Cäsiumuhren. Ihre Präzision erhält sie dadurch, dass die Forscher besonders stabile Laser einsetzen und zudem die normalerweise für Schwankungen sorgenden Störeffekte durch spezielle Ausgleichsmaßnahmen verringern.

Kommt ein neuer Standard?

„Diese Uhr hat die bisher beste Leistung in den Schlüsselmerkmalen erreicht, die für einen internationalen Standard entscheidend sind – Präzision und Genauigkeit“, konstatieren die Forscher. Sie halten es daher für durchaus wahrscheinlich, dass bald die offizielle SI-Einheit der Zeit – bisher auf Cäsium basierend – geändert wird. Dann könnten solche Strontium-Atomuhren als primäre Uhren für die internationale Referenzmessung eingesetzt werden.

Wie die Wissenschaftler betonen, ist bei ihrem neuen Uhrentyp sogar noch Luft nach oben. „Selbst dieser Rekord ist in gewissem Sinne nur ein Zwischenbericht, wir wollen die Leistung noch weiter erhöhen“, so Ye und seine Kollegen. (Nature, 2014; doi: 10.1038/nature12941)

(wissenschaft.de, 23.01.2014 – NPO)

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