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Astronomie

Galaxien: „Speiseplan“ verändert sich

Größte Galaxiendurchmusterung ihrer Art erklärt Wachstum junger Milchstraßen

Dieser tiefe Blick auf eine kleine Himmelsregion im Sternbild Cetus (der Walfisch) zeigt eine Auswahl von Galaxien (markiert mit roten Kreuzen), die für eine neue Studie herangezogen wurde, die die Ernährungsgewohnheiten junger Galaxien während ihres Wachstums im frühen Universum untersucht. Jeder dieser unscheinbaren Lichtflecke ist eine Galaxie, die wir so sehen, wie sie zwischen drei und fünf Milliarden Jahren nach dem Urknall gewesen ist, und die nun mit dem Very Large Telescope der ESO und dem SINFONI-Instrument eingehend untersucht wurde. © ESO/CFHT

Astronomen haben mithilfe des Very Large Telescope der ESO herausgefunden, dass Galaxien ihre „Essgewohnheiten“ während ihrer Jugendzeit – etwa drei bis fünf Milliarden Jahre nach dem Urknall – merklich ändern. Bevorzugten die Galaxien zu Beginn dieser Phase noch kleine Mahlzeiten aus einem stetigen Zustrom aus Gas, so begannen sie kurz darauf, sich ihre eigenen, kleineren Artgenossen einzuverleiben.

Die größte Galaxiendurchmusterung ihrer Art konnte damit einen wichtigen Beitrag zum Verständnis des Wachstums junger Milchstraßen leisten, schreiben die Forscher in der Fachzeitschrift „Astronomy & Astrophysics“.

Viele Rätsel um Galaxienwachstum

Seit langem wissen Astronomen, dass Galaxien im frühen Universum viel kleiner waren als die eindrucksvollen Spiralnebel und elliptischen Galaxien, die heute das Weltall bevölkern. Seit der Entstehung des Universums haben die Galaxien enorm an Gewicht zugelegt, aber woraus ihre Mahlzeiten bestanden haben und wie ihr Wachstum ablief, ist nach wie vor ein Rätsel.

Eine neue Studie sorgfältig ausgewählter Galaxien hat sich nun besonders den Jugendjahren dieser Himmelsobjekte gewidmet, entsprechend dem Zeitraum von etwa drei bis fünf Milliarden Jahren nach dem Urknall.

100 Stunden Beobachtungszeit

Mit den hochmodernen Instrumenten am Very Large Telescope der ESO ist es dem internationalen Astronomenteam gelungen herauszufinden, was damals tatsächlich passiert ist. Die Wissenschaftler haben in über 100 Stunden Beobachtungszeit die größte Sammlung von Detailbeobachtungen gasreicher Galaxien in diesem Entwicklungsstadium überhaupt zusammengetragen.

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„Galaxien wachsen vermittels zweier miteinander konkurrierender Prozesse: erstens durch Verschmelzung, wobei größere Galaxien kleinere regelrecht auffressen, und zweitens durch einen allmählichen, stetigen Zustrom von Gas auf die Galaxien. Beide Prozesse können zur Bildung vieler neuer Sterne führen”, erklärt Thierry Contini vom IRAP in Toulouse (Frankreich), der Leiter des Teams.

SINFONI-Instrument im Einsatz

Die neuen Ergebnisse legen nahe, dass sich die Art und Weise, wie Galaxien wachsen, zwischen drei und fünf Milliarden Jahren nach dem Urknall fundamental gewandelt hat. Im sehr frühen Universum scheint der stetige Zustrom von Gas nach Angaben der Forscher sehr wichtig für die Bildung der Galaxien gewesen zu sein, während später die Verschmelzungen mehr und mehr an Bedeutung gewannen.

„Um zu verstehen, wie die Galaxien gewachsen sind und sich weiterentwickelt haben, müssen wir sie so genau wie möglich untersuchen. Das SINFONI-Instrument am Very Large Telescope der ESO ist weltweit eines der leistungsfähigsten Geräte zur Untersuchung junger und weit entfernter Galaxien. Für uns spielt es die gleiche Rolle wie für eine Biologin ihr Mikroskop”, ergänzt Contini.

Galaxien als schwache Lichtflecken

Ferne Galaxien wie jene, die in der Studie untersucht wurden, erscheinen auf den Bildern der Astronomen lediglich als schwache Lichtflecken. Doch die Qualität der SINFONI-Daten ist so hoch, dass die Forscher dennoch detaillierte Karten der Bewegung und Zusammensetzung verschiedener Teile dieser Galaxien herstellen können. Die Ergebnisse waren dabei für einige Überraschungen gut.

„Für mich war die größte Überraschung, dass wir viele Galaxien entdeckt haben, deren Gaskomponente keine Rotation aufweist. Im nahen Universum beobachten wir so etwas überhaupt nicht, und keine der gängigen Theorien sagt die Existenz solcher Objekte voraus”, erklärt Benoît Epinat, ein Mitglied des Teams. „Wir hätten auch nicht erwartet, dass so viele der jungen Galaxien in unserer Durchmusterung eine hohe Konzentration von schweren Elementen in ihren Außenbereichen aufweisen – das ist das exakte Gegenteil von dem, was man in heutigen Galaxien beobachtet”, ergänzt Contini.

Auswertung des Datenschatzes beginnt erst

Das Team beginnt derzeit gerade erst, seinen riesigen Datenschatz auszuwerten – und schmiedet bereits Pläne, die Galaxien mit zukünftigen Instrumenten am VLT nach zu beobachten und mit dem ALMA-Observatorium (Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array) das kalte Gas zu untersuchen, das sie enthalten. In einigen Jahren wird dann mit dem European Extremely Large Telescope das ideale Instrument bereitstehen, um bei derartigen Untersuchungen noch tiefer ins frühe Universum zu blicken, so die Forscher. (Astronomy & Astrophysics,2012)

(ESO Science Outreach Network, 19.03.2012 – DLO)

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