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Physik

Quantenphysik ohne Unschärfe?

Vertreibung des „Beobachters“ aus der Quantenfeldtheorie

Die Quantenphysik geht davon aus, das eine Beschreibung der tatsächlichen Vorgänge der mikroskopischen Welt schlicht unmöglich sei, da der Beobachter bereits Veränderungen bewirkt. Jetzt haben zwei Mathematiker jedoch dieses Postulat für einen Bereich der Quantenphysik, die Quantenfeldtheorie, widerlegt.

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Die Quantenphysik handelt vom Verhalten mikroskopischer, subatomarer Objekte wie Elektronen und Quarks sowie Photonen, aus denen Licht besteht. Sie unterscheidet sich von ihrer Vorgängerin, der klassischen Physik, die ihre Gesetze vom Verhalten makroskopischer Objekte wie Billardkugeln oder Planeten ableitet, in vielerlei Hinsicht. Umstritten sind allerdings die drastischen Konsequenzen philosophischer Art, die die traditionelle, „orthodoxe“ Quantentheorie aus den bekannten experimentellen Fakten zieht, so etwa, dass ein Teilchen gewissermaßen an zwei Orten gleichzeitig sein könne, physikalische Größen ohne Beobachter keinen exakten Wert haben und eine Beschreibung der tatsächlichen Vorgänge der mikroskopischen Welt schlicht unmöglich sei.

Diese Unmöglichkeitsbehauptung widerlegen die zwei Mathematiker Professor Detlef Dürr und Roderich Tumulka ( von der Universität München zusammen mit Kollegen für ein Teilgebiet der Quantenphysik, die Quantenfeldtheorie, indem sie ein mathematisches Modell für das Verhalten von Teilchen vorführen, das alle Gesetze der Quantenfeldtheorie korrekt wiedergibt.

Mathematik eliminiert „Beobachter“

Die Debatte mag zunächst rein philosophisch anmuten. Aber Dürr und Tumulka belegen zusammen mit Sheldon Goldstein, Rutgers University, USA, und Nino Zanghi, Universität Genua, ihre Aussagen anhand harter Forschungsresultate. Den „Realisten“ unter den Quantenphysikern schien die orthodoxe Sicht schon lange zweifelhaft: Wenn Elektronen und Quarks ohne Beobachter nicht objektiv existierten, wie könnten dann Beobachter existieren, die letztlich ebenfalls aus Elektronen und Quarks bestehen?

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Dürr, Tumulka und ihre Kooperationspartner schlagen bestimmte mathematische Gleichungen zur Erschaffung, Bewegung und Auslöschung von Teilchen vor und analysieren sie auch. Die Partikel werden dabei als real angenommen und in den Gleichungen werden die mathematischen Werkzeuge der Quantenfeldtheorie benutzt. Tatsächlich liefere das Modell eine überraschend überzeugende und einfache Lösung der Rätsel der Quantenfeldtheorie, so die Autoren.

Teilchen auf der Spur

Für ihre Arbeit stützen sich die LMU-Mathematiker auf eine Theorie, die der französische Nobelpreisträger Louis de Broglie und der Amerikaner David Bohm auf dem Gebiet der Quantenmechanik entwickelt haben. Diese Theorie ist heute als „Bohmsche Mechanik“ bekannt und beweist die Möglichkeit objektiver mikroskopischer Vorgänge in der Quantenmechanik.

Die Quantenfeldtheorie ist eine Erweiterung der Quantenmechanik, der einfachsten Quantentheorie, und berücksichtigt die Entstehung und Vernichtung von Teilchen, die sie etwa zur Berechnung elektromagnetischer Phänomene nutzt. Die Quantenphysik ist die Grundlage der gesamten modernen Physik und entscheidend für Bereiche wie Elektronik, Optik und Nanotechnologie.

In der Nachfolge von Einstein & Co.

Mit ihrer kritischen Haltung zur orthodoxen Auffassung der Quantentheorie stehen Dürr und Tumulka in der Nachfolge berühmter Wissenschaftler wie John Bell, Entdecker der Nichtlokalität, und der Nobelpreisträger Erwin Schrödinger und Albert Einstein, die selbst zur Entdeckung der Quantentheorie beigetragen haben. „Gott würfelt nicht!“ lautet ein mittlerweile berühmtes Zitat Einsteins, mit dem er sich gegen die orthodoxe Deutung wandte. Diese wurde vor allem von Niels Bohr, Werner Heisenberg und John von Neumann begründet. Ebenfalls von Einstein stammt die Forderung, dass sich Physik ganz grundsätzlich mit einer beobachterunabhängigen Realität befassen müsse.

Quantentheorien formulieren ihre Grundgesetze traditionell in dieser Form: „Wenn ein Beobachter das Experiment X durchführt, erhält er mit Wahrscheinlichkeit Y das Ergebnis Z.“ Nach einer „Quantentheorie ohne Beobachter“, wie Dürrs und Tumulkas relativ neues Forschungsgebiet genannt wird, sind dies bloße Folgerungen aus Grundgesetzen, die nicht von Beobachtern handeln, sondern von mikroskopischen Vorgängen, in diesem Fall von der Bewegung von Teilchen.

(Ludwig-Maximilians-Universität München, 26.08.2004 – NPO)

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