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Chemie

Flüssiges Wasser bei minus 130 Grad erzeugt

Erster experimenteller Beleg für exotische, zäh-fließende und hochdichte Wasserform

Wasser © USDA/NRCS

Wenn Wasser auf weniger Null Grad Celsius abgekühlt wird, kristallisiert es normalerweise aus und wird zu Eis. Aber es gibt Ausnahmen: Ein schwedischer Forscher hat jetzt erstmals eine zuvor nur theoretisch postulierte Wasserform erzeugt, die bei minus 130 Grad Celsius und extrem hohem Druck flüssig ist. Diese hochdichte und ultra-zähflüssige Wasserform könnte daher beispielsweise auch auf anderen, kälteren Himmelskörpern vorkommen, so der Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS).

Wasser ist in vieler Hinsicht ein unnormaler Stoff. Zwar kristallisiert es normalerweise bei null Grad Celsius aus und wird zu Eis, aber gleichzeitig ist es durchaus möglich, flüssiges Wasser bis weit in den Minusbereich hin zu erhalten. Dieses so genannte supergekühlte Wasser, auch das zeigen Experimente, wird immer dichter, je kälter es wird und weniger dicht, wenn es sich erwärmt. „Das sind Abweichungen von der Norm, die man seit vielen Jahren kennt und die sehr wichtig sind“, erklärt Ove Andersson von der Universität von Umeå in Schweden. „Dennoch gibt es bisher keine allgemeine Erklärung dafür. Die Antwort könnte aber darin liegen, wie die Eigenschaften des Wassers beeinflusst werden, wenn es hohem Druck ausgesetzt wird.“

Amorphes Eis wird zu ultra-zähfließendem Wasser

Genau an diesem Punkt setzte das Experiment des Forschers ein: Andersson setzte kristallines Wassereis bei Temperaturen unterhalb von minus 140°C erhöhtem Druck von mehr als 1.000 Atmosphäre aus. Dabei kollabierte die Kristallstruktur und es bildete sich ein amorphes Eis. In diesem sind die Wassermoleküle nicht geordnet, sondern ungeordnet in zufälliger Anordnung verteilt – ähnlich der amorphen Struktur von Glas.

Das eigentlich Interessante ereignete sich aber danach: „Als ich die Temperatur erhöhte, verwandelte sich das Eis in träge fließendes Wasser“, erklärt Andersson. „Dieses Wasser gleicht dem normalen, aber seine Dichte ist um 35 Prozent höher und die Wassermoleküle bewegen sich relativ langsam, die Viskosität ist hoch.“

Bestätigung für Theorie hochdichter Wasserphase

Dass es einen solchen Zustand des Wassers geben könnte, wird schon seit längerem theoretisch postuliert. Dieser Theorie nach existiert Wasser grundsätzlich in zwei unterschiedlichen flüssigen Phasen, einer mit niedriger (normaler) Dichte und einer hochdichten Form. Der Übergang zwischen diesen Phasen soll bei niedrigen Temperaturen und hohem Druck erfolgen. Bisher allerdings war es noch nie gelungen, die zweite, hochdichte Phase flüssigen Wassers im Labor zu erzeugen. In den meisten Fällen kristallisierte das Wasser in solchen Versuchen einfach aus, statt eine graduelle Transformation zu zeigen.

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Erst der von Andersson verfolgte alternative Ansatz, den Vorgang quasi umzukehren und sich von unten, durch Erwärmung dem hochdichten Wasseranzunähern, hat jetzt zum Erfolg geführt. Die Ergebnisse der Experimente zeigen, dass sich amorphes Eis beim Erwärmen in die hochdichte Form des flüssigen Wassers umwandeln kann. „Das ist ein wichtiges Puzzlestück im Verständnis der Eigenschaften des Wassers und es eröffnet neue Möglichkeiten, jetzt dieses ultraviskose Wasser zu untersuchen“, so Andersson. (PNAS, 2011; DOI: 10.1073/pnas.1016520108)

(Expertsvar, 29.06.2011 – NPO)

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