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Paläontologie

Massenorgie bei Trilobiten

Fossilfunde enthüllen komplexes, synchronisiertes Sozialverhalten

Im Gänsemarsch: fossilierte Trilobiten bei der Migration © Adrian Kin

Die vor 250 Millionen Jahren ausgestorbenen Trilobiten besaßen offenbar bereits ein komplexeres Sozialverhalten als bisher angenommen. Neue Fossilfunde belegen, dass die frühen Arthropoden gemeinsame Massenhäutungen und Massenpaarungen praktizierten, wie heute auch noch einige Krebstiere. Außerdem bildeten sie bei der Migration säuberliche Reihen im „Gänsemarsch“, die Kommunikation und Synchronisation des Verhaltens erforderten.

Trilobiten gehören zu den bekanntesten Fossilien überhaupt. Über Lebensweise und Verhalten der vor rund 250 Jahren ausgestorbenen Arthropodengruppe ist allerdings eher wenig bekannt. Eines jedoch fiel Geologen und Paläontologen an den Fundstellen der Tiere immer wieder auf: Oft fanden sich große Mengen Trilobiten einer Art auf engstem Raum zusammen. Ob es sich dabei aber um ein Ausdruck ihres Verhaltens oder aber ein nach dem Tod und der Ablagerung der Fossilien durch beispielsweise Sedimentveränderungen herbeigeführtes Artefakt handelt, war unklar.

Pompeji der Trilobiten entdeckt

Der Geologe Carlton E. Brett von der Universität von Cincinnati wollte es daher genauer wissen. In einer Suche, die ihn von den USA nach Marokko und bis Polen führte, analysierte und untersuchte der Forscher in den letzten Jahren zahlreiche dieser Massenfundstellen von Trilobiten. In einer der Orte fand er dann endlich den entscheidenden Hinweis. Hier hatte ein Wirbelsturm auf einen Satz eine ganze Gruppe von Trilobiten so schnell verschüttet, dass die Tiere in lebensechter Pose starben und konserviert wurden.

Massenorgie der Häutung und Paarung

Und die Phase, in der sie verschüttet wurden, erlaubte wichtige Rückschlüsse auf ihr Verhalten. Denn die Tiere fanden sich inmitten zahlreicher Panzerreste. Wie einige der heutigen Insekten und die meisten Krebse wuchs auch bei den Trilobiten der harte Panzer nicht mit. Sie mussten sich daher von Zeit zu Zeit häuten, um wieder Platz in ihrer Schale zu haben. Frisch gehäutet aber war ihre Schale noch weich, ihr empfindlicher Körper ungeschützt.

Massenfund von frisch gehäuteten Trilobiten aus dem Devon © Carlton E. Brett

Der Massenfund zeigt nun, dass die Trilobiten in dieser Phase wie heutige Krebse und Hummer Sicherheit in der Masse suchten. Zahlreiche Trilobiten der gleichen Arte und etwa der gleichen Altersgruppe und im gleichen „nackten“ Zustand fanden sich hier neben den Resten ihrer alten, zu klein gewordenen Panzer. Und die Fossilien enthüllten noch mehr: Offenbar nutzten die Trilobiten die Gelegenheit der Massenzusammenkunft auch gleich zur Paarung, auch dies ähnlich vieler ihrer modernen Cousins. „Das ist eine wahre Orgie“, kommentiert Brett.

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Wanderung im Gänsemarsch

In Polen entdeckte der Forscher gemeinsam mit Kollegen einen weiteren Hinweis auf Verhaltensweisen der Urzeitkrebse: Lange Ketten von im Gänsemarsch hintereinander aufgereihten Trilobiten – offenbar verschüttet während sie sich auf Wanderschaft befanden. Auch diese Form der Migration findet sich heute noch bei einigen Arthropoden, beispielsweise bei den Wanderameisen. „Die jüngste Entdeckung von Reihen von mehr als einem Dutzend Individuen stellt den ältesten Beleg für migratorische Schlangenbildung dar, wie wir sie auch von den modernen Krebstieren her kennen“, so Brett.

Komplexes Flucht- und Reproduktionsverhalten

Zusammengenommen belegen die Funde, dass auch die urzeitlichen Trilobiten bereits eine ganze Reihe von sozialen Verhaltensweisen ausgebildet hatten, Verhaltensweisen, die sich auch 250 Millionen Jahre später noch in ihren entfernten Nachfahren wiederfinden lassen. „Diese Belege deuten auf ein komplexes, synchronisiertes Flucht- und Reproduktionsverhalten hin und liefern außerordentliche Einblicke in die Paläobiologie dieser urzeitlichen Organismen, so Brett. Gemeinsam mit seinen Kollegen Adrian Kin von der Universität von Jagiellonin in Polen und Brenda Hunt vom Cincinnati Museum stellte Brett die neuen Erkenntnisse während einer Tagung der Geological Society of America in Pittsburgh vor.

(University of Cincinnati, 22.03.2011 – NPO)

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