Warum werden wir manche Ängste so schwer wieder los? Das hat jetzt eine internationale Forschergruppe erstmals aufgeklärt: Mit Hilfe eines „Nachbaus“ des Nervensystems zeigen sie, dass scheinbar abgelegte Ängste in Wirklichkeit nur verdeckt, aber nicht verschwunden sind. Der Grund dafür sitzt buchstäblich tief: Tief unter dem Großhirn liegt in unserem Denkorgan der „Mandelkern“. Er spielt im Angstverhalten eine zentrale Rolle.
Das Angstempfinden ist ein natürlicher Begleiter unseres Lebens und ein sinnvoller Schutzmechanismus. Doch manchmal nehmen Ängste überhand und sind nur schwer wieder abzulegen. Wissenschaftler aus Freiburg, Basel und Bordeaux haben nun die Vorgänge im Gehirn bei der Entstehung und Unterdrückung von Ängsten im Computer simuliert. Angstreaktionen werden oft an Mäusen erforscht, indem ein neutraler Reiz – beispielsweise ein Klang – gemeinsam mit einem unangenehmen Reiz auftritt. Die Tiere lernen so, auch vor diesem Klang Angst zu haben.
Eine wichtige Rolle spielt dabei der Kontext: Wenn der ängstigende Klang viele Male in einem neuen Umfeld vorgespielt wird, ohne dass etwas Unangenehmes passiert, legen die Mäuse ihre Angst ab. Sie kehrt aber sofort zurück, wenn der Klang im ursprünglichen oder in einem völlig neuen Kontext auftritt. Hatten die Mäuse etwa nicht verlernt sich zu fürchten? Dass Angstempfinden im Gehirn „verdeckt“ werden kann, ist seit längerem bekannt. Vor kurzem entdeckten zwei Ko-Autoren der aktuellen Studie, dass zwei Gruppen von Nervenzellen im Mandelkern dabei eine Rolle spielen.
Zellgruppe als Maske
Ioannis Vlachos und seine Kollegen erklären nun durch den „Nachbau“ des Nervennetzes, wie die Maskierung der Angst konkret abläuft: Eine Gruppe von Zellen steuert das Angstverhalten, die zweite die Unterdrückung von Angst. Ist die zweite Gruppe aktiv, verhindert sie, dass die Aktivität der ersten an andere Stellen im Gehirn weitergeleitet wird. Trotzdem sind die Verbindungen zwischen den Zellen, die Angst kodieren, noch vorhanden.
Sobald die Maskierung wegfällt, zum Beispiel durch eine Veränderung des Kontexts, werden diese Verbindungen schnell wieder aktiv und die Angst kehrt zurück. Diese Einsichten, so die Forscher, sind auf den Menschen übertragbar und helfen zu verstehen, wie Ängste erfolgreich therapiert werden können.
(Universität Freiburg, 21.03.2011 – NPO)