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Geowissen

Tropischer Atlantik: Mehr Regen, weniger Passatwinde

Neue Studie enthüllt frühere Messwertverfälschungen und widerlegt bisherige Annahmen

Mit den Winden änderten sich auch die Niederschlagsmuster: Entwicklung der Wolkenbedeckung über dem Meer und Niederschläge über Land von Juni bis August im langjährigen Vergleich © Tokinaga et al. /Nature Geoscience

Der Klimawandel hat über dem tropischen Atlantik deutliche regionale Folgen: Entgegen bisherigen Annahmen hat sich der dort wehende Passatwind in den letzten Jahrzehnten stark abgeschwächt, das Meer erwärmte sich im Osten stärker als auf der Westseite. Das zeigt eine jetzt in „Nature Geoscience“ erschienene Studie amerikanischer Forscher. Durch diese Verschiebung der Klimamuster erhalten die angrenzenden Küstengebiete Südamerikas und Afrikas deutlich mehr Regen, das Landesinnere dagegen weniger.

Die globalen Temperaturen sind in den letzten Jahrzehnten stetig gestiegen, allerdings nicht überall gleich stark oder schnell. Entsprechend unterschiedlich beeinflusst der Klimawandel auch das regionale Klima, den Faktor, der letztlich für Entscheidungen und Maßnahmen gegen Klimafolgen wichtig ist. Während die regionalen Bedingungen für einige Gebiete inzwischen recht gut untersucht sind, klaffen an anderen Stellen noch große Lücken. Eine davon umfasst den tropischen Atlantik und seine Windsysteme, eine wegen ihrer bis auf die Kontinente reichenden Wettersysteme klimatisch enorm wichtigen Region. Für dieses Gebiet deuteten Beobachtungen bisher an, dass die Winde hier in den letzten 60 Jahren eher zugenommen haben.

Schiffsmessungen ergaben verfälschte Werte

Doch ein Forscherteam des International Pacific Research Center an der Universität von Hawaii hat jetzt festgestellt, dass diese Entwicklung auf veränderten Messmethoden, nicht aber auf eine klimatische Veränderung zurückgeht. Windmessungen auf dem Ozean erfolgen traditionell mit Windmessern auf den Decks oder Aufbauten von Schiffen. Doch diese sind in den letzten Jahrzehnten deutlich größer geworden und damit hat sich auch die Position der Anemometer an Deck nach oben verlagert. Da die Windstärke aber mit steigender Höhe über dem Meeresspiegel zunimmt, ergibt sich daraus eine Verfälschung der Vergleichsmesswerte.

Abschwächung der Südost-Passatwinde

Die Forscher um Hiroki Tokinaga und Shang-Ping Xie haben nun diesen Fehler herausgerechnet und selbst korrigierte Messungen unternommen. Aus ihren Datenreihen von 1950 bis 2009 ergeben sich damit nun ganz andere Ergebnisse. Demnach haben sich die über dem tropischen Atlantik von Südosten nach Nordwesten wehenden Passatwinde innerhalb der letzten 60 Jahre deutlich abgeschwächt. Die Meerestemperaturen in diesem Gebiet sind zwar in dieser Zeit angestiegen, aber in unterschiedlich starkem Ausmaß.

Die von der östlichen Atlantikküste aus ins Meer reichende Kaltwasserzunge hat sich stärker erwärmt als der westliche Teil des Atlantiks. Gleichzeitig führten die schwächeren Passatwinde dazu, dass weniger kaltes, nährstoffreiches Tiefenwasser vor der afrikanischen Küste aufgewühlt und an die Oberfläche transportiert wird. Das wiederum beeinflusst Ökosysteme und Nahrungsketten im Ostatlantik.

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Mehr Niederschläge über Westafrika

Diese Veränderungen von Wind und Meer wirkten sich auch auf die Niederschläge in der Region aus. Es wurde deutlich feuchter – nicht nur über dem tropischen Atlantik, sondern auch über den angrenzenden Landflächen. So nahm der Regen in Ibadan, einer der größten Städte in Nigeria von 1950 bis 1998 um 79 Millimeter pro Monat zu – dies entspricht einem Anstieg um gewaltige 93 Prozent gegenüber dem Langzeit-Durchschnitt. Die Variationen von einem Jahr zum anderen haben dagegen sowohl für Niederschläge als auch für Meerestemperaturen deutlich abgenommen, die Extreme fielen schwächer aus.

Aerosole schuld an asymmetrischen Veränderungen?

Was aber ist die Ursache für diese asymmetrischen Veränderungen im tropischen Atlantik? Nach Ansicht von Tokinaga und Xie könnten die vom Menschen durch Industrie und Verkehr freigesetzten Schwebteilchen hierfür eine Rolle gespielt haben. Die über der Nordhalbkugel dichtere Aerosolverschmutzung führt zu einer ungleichen Reduktion der Sonneneinstrahlung und verändert so die Klimamuster. Sollte die Emission von Aerosolen in den nächsten Jahrzehnten abnehmen, könnte dies erneut eine Veränderung der Klimamuster auch über dem Atlantik bewirken. Möglicherweise schlägt dann die Wirkung der Treibhausgase stärker durch als bisher und die jetzt beispielsweise abgedämpften Wetterextreme verstärken sich wieder. (Nature Geoscience, 2011; DOI: 10.1038/NGEO1078)

(University of Hawaii, 10.02.2011 – NPO)

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