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Neurobiologie

Nimmersatte Nervenzellen kommen an

Wachstumsprotein „lockt“ Nerv zum Zielorgan

Wenn eine Nervenzellen einmal auf den Geschmack eines Wachstumsproteins gekommen ist, verliert sie ihren „Appetit“ für andere Proteine und folgt nur noch den „leckeren“ Krumen bis zum Endpunkt ihres Wachstums. Dies haben Forscher der Johns Hopkins Universität in Versuchen an Mäusen herausgefunden. Die in der Zeitschrift „Cell“ veröffentlichten Ergebnisse könnten erklären, wie Nervenverbindungen entstehen und warum sie, einmal am Zielort angelangt, mit dem Wachstum aufhören.

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Während der vorgeburtlichen Entwicklung verbindet sich ein Nerv mit seinem „richtigen“ Zielpunkt, indem er zumindestens teilweise, Proteinsignalen entlang seines Weges folgt. Sind diese Signale falsch oder nicht vorhanden, kann es passieren, dass sich die wachsende Zelle mit dem falschen Organ verbindet oder aber ohne Verbindung „ins Leere läuft“.

In Experimenten mit Mäusen haben nun Forscher der Johns-Hopkins Universität entdeckt, dass das Protein NT-3 (Neurotrophin-3), das auf halber Wachstumsstrecke produziert und verteilt wird, sowie das NGF (nerve growth factor) Protein, dass vom Zielorgan ausgeht, anziehend auf das Wachstumsende eines bestimmten Nervenzelltyps wirken. Die Wissenschaftler stellten dabei fest, dass das NGF die Nervenzelle offenbar jedoch davon überzeugen kann, dass es „besser schmeckt“ als das NT-3, und damit die Zelle quasi „überredet“, vom Halbstreckenpunkt aus weiter zu wachsen.

Endpunkt „leckerer“ als Zwischenstationen

„Es erscheint unglaublich, dass der Nerv während seiner Entwicklung sein Ziel findet, aber wir haben jetzt einen neuen Einblick darin, wie dies genau geschieht“, erklärt David Ginty, Neurowissenschaftler am Johns Hopkins. „Wir haben herausgefunden, dass das Wachstum einiger Nerven durch vom Ziel ausgehende Schlüsselreize kontrolliert wird; Proteinen, die die Nerven chemisch verändern und sie so dazu bringen, die Zwischenstationen zugunsten der Endstation des Wachstums zu verlassen.“

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Schon seit längerem ist bekannt, dass bei Säugetieren, darunter auch Mäusen und Menschen, normalerweise mehr Nervenzellen wachsen als während der Entwicklung benötigt werden und dass diejenigen, die sich nicht erfolgreich verbinden können, im Laufe dieses Prozesses absterben. Aber bislang war nicht klar, wie und wodurch Zellen sich von Punkten entlang des Weges hin zum Endpunkt bewegen.

Die Wissenschaftler nutzten Mäuse, denen durch eine Genmanipulation entweder das NT-3 oder aber das NGF-Protein fehlte. Die Forscher untersuchten an ihnen die Nervenverbindungen zu einer Reihe von inneren Organen, darunter dem Herz, dem Dünndarm, Speicheldrüsen und Fettdepots. In den Mäusen ohne NT-3 erreichten die Nerven nicht einmal die „Zwischenstationen“ ihres Wachstumsweges, in Mäusen ohne NGF dagegen blieb das Wachstum an diesen Zwischenstationen stehen, das Zielorgan wurde nicht erreicht. Offenbar müssen die Nervenzellen, so vermuten die Forscher, für ihr gerichtetes Wachstum erst NT-3, dann aber NGF „schmecken“.

NGF blockiert NT-3-Geschmack

Aber warum und wie ziehen die Nervenzellen NGF vor? Um dies herauszufinden verglichen die Wissenschaftler das Nervenwachstum bei normalen Mäusen mit ihren genmanipulierten Versuchstieren. Sie stellten fest, dass die Nerven schon bei der Annäherung an die Zwischenstation eine kleine Menge des vom Ziel ausgesandten NGF „schnuppern“. Das NGF wird in den Kern der Nervenzelle transportiert und löst dort die Produktion eines weiteren Proteins, des p75, aus. Dieses wiederum wandert zurück zur Wachstumsspitze des Nervs und blockiert hier jede weitere Reaktion auf das Lockprotein NT-3 der Zwischenstation. Dadurch erst kann sich das Nervenende entlang des Konzentrationsgefälles des NGF in Richtung Zielorgan orientieren.

„Wir waren angenehm überrascht, dass das Zielorgan ein Protein besitzt, dass die wachsende Nervenzelle tatsächlich physisch verändern kann und andere ‚Mitbewerber‘ um dessen Gunst weniger attraktiv macht“, erklärt Ginty. „Wir vermuten, dass auch andere Nervenzellen in ähnlicher Weise durch solche Wachstumsproteine manipuliert werden können und werden dies als nächstes untersuchen.“

(Johns Hopkins Medical Institutions, 29.07.2004 – NPO)

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