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Mikrobiologie

Bakterien: Chaperone als Hitzehelfer

Hitzeresistenter Escherischia coli-Stamm verrät Anpassungsgeheimnis der Mikroben

Elektronenmikroskopische Aufnahme von E. coli-Dünnschnitten © TU München

Das Darmbakterium Escherichia coli ist eines der wichtigsten „Arbeitspferde“ der Biotechnologie. Jetzt haben Forscher einen besonders hitzetoleranten Stamm des Bakteriums gezüchtet und dabei untersucht, was dessen Resistenz ausmacht. Als entscheidend erwiesen sich erhöhte Konzentrationen an Chaperonen, speziellen Molekülen, die Proteinen zu ihrer dreidimensionalen Form verhelfen.

Das Bakterium Escherichia coli ist nicht nur im menschlichen Darm zu Hause, es ist auch eines der wichtigsten „Arbeitspferde“ im Labor. Eine Vielzahl pharmazeutisch wichtiger Substanzen werden inzwischen biotechnologisch durch gentechnisch veränderte E. coli-Bakterien hergestellt, beispielsweise das Insulin. Während in der chemischen Produktion die Faustregel gilt, dass eine um zehn Grad höhere Temperatur eine Verdoppelung der Reaktionsgeschwindigkeit zur Folge hat, sind die Verhältnisse in der Biotechnologie viel komplizierter. Normalerweise fühlt sich das Bakterium bei 37° Celsius am wohlsten. Zwar steigt die Produktivität von E. coli bei höheren Temperaturen zunächst, oberhalb von 42° Celsius gerät der Organismus jedoch zunehmend unter Stress und produziert weniger brauchbare Proteine. Temperaturen über 46° Celsius sind für Wildtyp-E. coli bereits tödlich.

Hitzetoleranz hat natürliche Grenze

Einem Team um Jeannette Winter, Biochemikerin und Leiterin der Emmy- Noether-Gruppe „Oxidative Stress“ an der Technischen Universität München (TUM), gelang es nun, E. coli-Bakterien durch Evolution über mehrere Jahre hinweg stufenweise eine sehr viel höhere Hitzeresistenz anzuzüchten. Ihre Bakterien wachsen mittlerweile bei Temperaturen von 48,5° Celsius. Hier scheint aber für den Organismus E. coli eine natürliche Grenze zu existieren. Höhere Wachstumstemperaturen erreichten die Forscher nicht.

Chaperone bringen Proteine in Form

Dahinter steht ein komplexer Prozess: Jedes Protein besteht aus einer langen Kette von Aminosäuren. Erst durch kunstvolle Faltung zu einer dreidimensionalen Struktur wird daraus das funktionierende Protein. Dabei helfen spezielle Proteine, so genannte Chaperone, wie das GroE. Es stabilisiert Proteine, die bei höheren Temperaturen instabil werden und hilft, durch Mutationen instabiler gewordene Proteine in ihre funktionale Form zu bringen. „Die Fähigkeit der hitzeresistenten Bakterien, wesentlich höhere Konzentrationen an GroE produzieren zu können, ist ein entscheidender Faktor für die Überlebensfähigkeit unter diesen Bedingungen“, so Winter.

Im Vergleich zu einer bei 37° Celsius aus den gleichen Vorfahren gezüchteten Kontrollpopulation enthielten die hitzeresistenten Bakterien das als Hitzeschutzprotein bekannte GroE schon bei normalen Bedingungen in 16-fach höherer Konzentration. Allerdings hat die Hitzeresistenz ihren Preis: Da der

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Organismus durch den andauernden Stress Veränderungen im Erbgut trägt und sehr viel Energie in die Produktion von Hitzeschutzproteinen steckt, wächst er insgesamt langsamer als seine Vorfahren.

Über die evolutionsbiologischen Aspekte hinaus liefert die Untersuchung der Arbeitsgruppe wertvolle Hinweise darauf, wie sich Organismen an veränderte Umweltbedingungen anpassen. Im „Journal of Biological Chemistry berichten sie über ihre Ergebnisse. „Ein besseres Verständnis der Arbeit der Chaperone könnte auch neue Wege für die gezielte Züchtung von Organismen für spezielle Aufgaben öffnen“, sagt Jeannette Winter. „Das sind nicht nur Bakterien zur Produktion von pharmazeutisch interessanten Proteinen, sondern beispielsweise auch Bakterien, die unter harten Umweltbedingungen Umweltgifte abbauen können.“

(Technische Universität München, 21.06.2010 – NPO)

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