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Klima

Klimaschutz: Handlungsfenster schließt sich 2020

Sogar ein Alleingang Europas lohnt sich in jedem Fall

Die Zeit läuft ab für den Klimaschutz: Wenn nicht bis 2020 entscheidende Maßnahmen getroffen werden, schließt sich das Handlungsfenster ganz und schwerwiegende Klimafolgen lassen sich nicht mehr vermeiden. Das hat jetzt erneut eine Studie des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) ergeben. In ihrem Report belegen die Forscher aber auch, dass sich für die EU auch eine Vorreiterrolle ion jedem Falle auszahlen könnte.

Ohne Klimaschutz könnten die CO2-Emissionen bis 2050 auf 2.500 Gigatonnen (Gt) anwachsen und einen globalen Temperaturanstieg auf bis zu sieben Grad gegenüber vorindustriellem Niveau bedeuten. Um mit hoher Wahrscheinlichkeit den globalen Temperaturanstieg auf maximal 2°C zu begrenzen, dürfen nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen bis 2050 ncht mehr als rund 750 Gt CO2 zusätzlich ausgestoßen werden.

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Im Rahmen von RECIPE (Report on Energy and Climate Policy in Europe), einer europäischen Studie zu den Kosten des Klimaschutzes, haben Wissenschaftler des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und vier weiteren europäischen Forschungsinstituten drei energieökonomische Modelle verglichen und daraus Handlungsempfehlungen für die Klimapolitik abgeleitet. Für diese in RECIPE untersuchten Klimaschutzszenarien ergibt sich eine mittlere Wahrscheinlichkeit, das 2°C-Ziel zu erreichen. Im Zentrum der Szenarien und ermittelten Reduktionspfade stehen die vier CO2-intensiven Wirtschaftssektoren Energie, Industrie (Zement und Stahl), Transport und Verkehr sowie Landwirtschaft.

Handlungsfenster schließt sich 2020

Das Ergebnis: Werden die Kosten eines aktiven Klimaschutzes und das Wirtschaftswachstum miteinander verrechnet, ergibt sich für Europa bis 2050 eine Wachstumsverzögerung von nur etwa einem Jahr. Das ohne die Kosten des Klimaschutzes prognostizierte Wohlstandsniveau würde statt 2050 somit 2051 erreicht. Dabei sind die drohenden, aber so vermiedenen Kosten durch Klimaschäden noch nicht berücksichtigt. Wird das kommende Jahrzehnt nicht genutzt, steigen laut RECIPE nicht nur die globalen CO2-Minderungskosten. Die Chance, die gefährlichen Folgen des Klimawandels noch aufhalten zu können, sinkt erheblich. Nach 2020 schließt sich das Handlungsfenster für ambitionierten Klimaschutz ganz.

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Selbst Alleingang der EU bringt Vorteile

RECIPE zeigt, dass das für alle Staaten deutlich weniger kostet, wenn sie jetzt gemeinsam handeln. „Der Schlüssel für einen bezahlbaren Klimaschutz sind verbindliche und umgehend wirksame politische Rahmenbedingungen für das kommende Jahrzehnt“, fasst Ottmar Edenhofer, Chefökonom des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und Vorsitzender der Arbeitsgruppe Vermeidungsstrategien des Weltklimarats (IPCC), das Ergebnis der RECIPE Studie zusammen. „Klimaschutz ist wirtschaftlich verträglich und machbar“, so Edenhofer. „Für Europa macht sich der rechtzeitige Einstieg in einen umfassenden Klimaschutz sogar im Alleingang durch deutlich niedrigere Kosten bezahlt.“

„Die EU muss im eigenen und im Interesse aller wieder eine Vorreiterrolle einnehmen. Forschung, Entwicklung und Industriepolitik müssen mit klaren Prioritäten und Mitteln in Richtung Klimaschutz ausgebaut werden. Dazu gehört ein verbindlicher Klimaschutzplan für den Zeitraum bis 2020, der ein ambitioniertes Emissionsreduktionsziel für Europa festschreibt. Darüber hinaus brauchen wir eine langfristige Strategie, die vom Ziel her plant, um den Aufbau CO2-intensiver Kapitalstöcke zu verhindern und den Klimaschutz nicht in die Sackgasse führt“, betont Regine Günther, Leiterin Klima- und Energiepolitik des WWF Deutschland.

Strom ohne Kohle bis 2050 ist möglich

Eine vollständige Dekarbonisierung des Energiesektors deutlich vor dem Jahr 2050 halten die RECIPE-Autoren für unverzichtbar und möglich. Dafür müssen erneuerbare Energien und die gesicherte und erprobte CO2-Abscheidungs- und Speichertechnologie (CCS) weltweit in großem Maßstab zur Verfügung stehen. Kostenoptimaler Klimaschutz erfordert, dass Investitionen in Kohlekraftwerke ohne diese Technik innerhalb weniger Jahre auf Null zurückgefahren werden müssen. Auf globaler Skala kann die Kernenergie nur zu einem vergleichsweise geringen Teil zum Klimaschutz beitragen.

Mehr Forschung für klimafreundliche Mobilität

Die transport- und verkehrsbezogenen Emissionen steigen weiter und werden damit zukünftig im Verhältnis zu anderen Emissionsquellen immer wichtiger. Die Verfügbarkeit klimafreundlicher Alternativen wie Elektromobilität oder nachhaltig angebaute Biomasse hat damit einen entscheidenden Einfluss auf die Höhe der Klimaschutzkosten. Noch sind diese Technologien allerdings weit davon entfernt, am Markt in großem Umfang wettbewerbsfähig zu sein. Effizienzstandards für alle Fahrzeugklassen, den Auf- und Ausbau der Elektrifizierung, die Erforschung alternativer Kraftstoffe sowie die Verringerung von Verkehr durch bessere Logistik und die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene sind hier vorgeschlagene Maßnahmen.

Industrie muss energieeffizienter werden

Für die bestehende Anlageninfrastruktur der europäischen Stahl- und Zementindustrie sind Effizienzsteigerungen kurzfristig die wichtigste Minderungsoption, diese Potenziale sind jedoch nur bedingt. Entscheidend für die kostenminimierende umfassende Dekarbonisierung ist die Nutzung des nächsten Investitionszyklus nach Ablauf der Lebensdauer bestehender Anlagen nach 2020. Die Elektrifizierung von Prozessen und deren grundsätzliche Anpassung muss zur CO2-Emissionsminderung genutzt werden.

Neben dem Schutz von Wiesen und Sümpfen sowie der gezielten Nutzung der Speicherfähigkeiten von Böden und Vegetation, kann die Landwirtschaft ihren Beitrag durch die Reduzierung stickstoffbezogener Emissionen aus Düngemitteln und durch eine verringerte Viehhaltung (Methanemissionen) leisten.

Den vollständigen RECIPE-Bericht finden Sie

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(Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), 04.11.2009 – NPO)

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