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Neurobiologie

Nervenzellen: Kommunikation nach dem Reißverschlussprinzip

Neues Verfahren ermöglicht neue Einblicke in die Signalübertragung zwischen Nervenzellen

Kugelförmige Vesikel dienen innerhalb der Nervenzellen als Vorratskammern für chemische Botenstoffe. Damit diese Vesikel genau auf Abruf für die Ausschüttung der Botenstoffe sorgen können, docken sie zunächst einmal an die Membran der Nervenzelle an und warten auf den Startschuss (zum Beispiel durch einen Auslöser wie Kalziumionen, Ca2). Sollen die Botenstoffe dann ausgeschüttet werden, fusioniert das Vesikel mit der Membran der Nervenzelle und entleert so seinen Inhalt nach außen. Dann kann eine direkt benachbarte Nervenzelle den Reiz sofort registrieren und wiederum weiterleiten oder weiterverarbeiten. © TU Braunschweig

Wie leitet unser Körper Nervenreize weiter und wie formieren sich Gedanken? Forscher sind bei der Aufklärung der Signalübertragung zwischen den Nervenzellen einen wichtigen Schritt weitergekommen. Sie haben die Übertragung von Botenstoffen von einer Nervenzelle zur nächsten im Reagensglas nachgestellt und mit einer neuen Methode untersucht. Dies enthüllte, dass der entscheidende Schritt nach dem „Reißverschlussprinzip“ funktioniert. Die Studie ist jetzt in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) erschienen.

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Auf die Plätze, fertig, los

… so könnte eine Kurzzusammenfassung der elementaren Vorgänge lauten, die bei der Kommunikation zwischen Nervenzellen auftreten. Für die Übertragung von Signalen zwischen den Zellen sorgen chemische Botenstoffe, genannt Neurotransmitter. Sie sind innerhalb der Nervenzellen in kleinen Bläschen, den Vesikeln, gespeichert. Solche Vesikel schwimmen aber normalerweise frei in der Zelle herum und würden daher viel zu lange brauchen, um die Botenstoffe für die Signalweiterleitung an die Zellwand zu bringen.

Daher docken frisch mit Botenstoff gefüllte Nervenvesikel zuvor an die Zellwand an („Auf die Plätze!“), um dort auf den Startschuss für eine Entleerung der Botenstoffe zu warten („fertig!“). Sobald der Startschuss in Form eines chemischen Signals kommt („los!“) reißen die Vesikel zusammen mit der Zellwand auf und schütten sofort Botenstoffe in die Zellumgebung aus. Von den Nachbarzellen werden diese Stoffe dann aufgenommen und erkannt.

Das Andocken in die „Startposition“ ist daher von elementarer Wichtigkeit, damit das Denken und Fühlen schnell und effizient ablaufen kann. Da es aber bisher sehr schwer war, diesen Zwischenzustand kurz vor dem Startschuss zu beobachten, war bisher unbekannt, wie der Startschuss genau aussieht und kontrolliert wird.

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Farbmarkierung hält Vesikel im Blick

Peter Jomo Walla von der Technischen Universität Braunschweig und Professor Reinhard Jahn vom Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen, beide Professoren für Biophysikalische Chemie und Leiter, sind nun mit ihren Arbeitsgruppen den Mechanismen des Denkens und Fühlens ein wesentliches Stück näher gekommen. Sie entwickelten eine neue Methode, mit der sie den Moment vor dem Startschuss sowie die zeitlichen Abläufe des nervlichen Wettlaufs genau beobachten können.

Die Wissenschaftler haben Vesikel farbig markiert und konntne so sehr viele von ihnen unter einem Spezialmikroskop gleichzeitig beobachten. „Mit unserem neuen Verfahren können wir nun gezielt einzelne Biomoleküle hinzugeben oder weglassen und so untersuchen, welche davon wichtig sind und wie die Mechanismen genau ablaufen“, erklärt Walla.

Fusion nach dem Reißverschlussprinzip

Zunächst werden die Vesikel mit Proteinen wie mit kleinen Klammern an die Zellwand geheftet. Erst, wenn an dieser Stelle ein Nervenreiz von außen auftrifft, zum Beispiel in Form einer höheren Konzentration von Kalziumionen, löst dies die entscheidende Reaktion aus: Die Membran des Vesikels vereinigt sich blitzschnell mit der Zellmembran, und das Vesikel stülpt seinen Inhalt nach außen. Das Ganze geschieht innerhalb von Sekundenbruchteilen und spielt sich in Größenordnungen von nur wenigen Nanometern ab.

„Das kann man sich vorstellen wie bei einem Reißverschluss, der den Stoff auf der einen Seite gezielt öffnet und dann mit einem anderen Stück Stoff verbindet“, erläutert Walla. „Bisher wurde meist nur beobachtet, wie das System vor und nach der Ausschüttung aussieht – sozusagen der Läufer vorher in

der Umkleidekabine und nachher auf dem Siegerpodest. Aber um die Mechanismen wirklich zu verstehen, ist natürlich der Moment kurz vor dem Startschuss entscheidend. Mit unserer neuen Methode können wir dies nun ganz einfach erkennen und herausfinden, wie der Mann mit der Pistole wirklich aussieht und wie der Läufer startet.“

(Technische Universität Braunschweig, 14.10.2009 – NPO)

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