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Neurobiologie

Belohnung verleiht besseres Fingerspitzengefühl

Verbesserung des Lernerfolgs durch Belohnung funktioniert auch beim Tastsinn

Mit der Aussicht auf Belohnung lernt es sich besser. Das gilt jedoch nicht nur für Gedächtnisleistungen, wie schon seit langem bekannt, sondern auch für die Verarbeitung von Sinnesreizen, wie ein Experiment jetzt gezeigt hat. Probanden konnten verschiedene Reize besser unterscheiden, wenn eine finanzielle Belohnung winkte. Die Studie ist nun in der Fachzeitschrift „PloS Biology“ erschienen.

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„Zuckerbrot“ wirkt besser als die „Peitsche“ wenn es darum geht, etwas zu lernen – das haben schon vor Jahren Verhaltensforscher und Pädagogen herausgefunden. Heute ist auch bekannt, was dabei genau im Gehirn abläuft: „Führt eine Entscheidung zum Erfolg, wird dies im so genannten Belohnungssystem des Hirns registriert“, erklärt Burkhard Pleger vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig. Der Belohnungsreiz wird dann an das Areal weitergeleitet, das für die Entscheidung zuständig war.

Reiz-Unterscheidung als Experiment

Auf diese Weise optimiert das Hirn seine Abläufe, sodass eine Aufgabe von Mal zu Mal besser erfüllt werden kann. Unklar war bis jetzt jedoch, ob dieser Mechanismus auch für den reizverarbeitenenden Teil der Großhirnrinde, den somatosensorischen Kortex, gilt, der etwa die Berührungsempfindungen der Haut verarbeitet. Um diese Frage zu klären, konzipierten die Max-Planck- Forscher um Pleger gemeinsam mit Kollegen vom University College in London ein Experiment mit Probanden.

An beiden Zeigefingern der Testpersonen waren jeweils Elektroden angebracht, über die bei jedem Versuch nacheinander zwei elektrische Spannungen mit unterschiedlichen Frequenzen geleitet wurden. Die Teilnehmer sollten jeweils für einen Zeigefinger entscheiden, ob die erste oder zweite Spannung die höhere Frequenz hatte. Lagen sie damit richtig, wurde auf einem Bildschirm eine finanzielle Belohnung eingeblendet. Dass der Belohnungsreiz auch wirkt, wenn er rein visuell präsentiert wird, hatte sich in einer vorangegangenen Studie bereits erwiesen. Die Höhe der Belohnung wurde von Versuch zu Versuch des Experimentes variiert.

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Das Ergebnis: Je nach Belohnungshöhe gelang es den Probanden immer besser, die richtige Entscheidung zu treffen. „Es zeigte sich, dass der Belohnungseffekt, neben der bekannten Wirkung auf höhere kognitive Vorgänge, auch auf somatosensorische Prozesse Einfluss hat“, sagt Pleger. „Er fällt dabei umso stärker aus, je höher die Belohnung ist.“

Dopamin erhöht Belohnungs-Wirkung

Die Wissenschaftler interessierte darüber hinaus die Rolle des neuronalen Botenstoffs Dopamin. Vor Beginn des Experiments wurden die Testpersonen deshalb in drei Gruppen aufgeteilt. Der ersten Gruppe verabreichten die Forscher das Dopaminpräparat Levopoda, einer zweiten Gruppe den Dopamin-Hemmer Haloperidol. Die dritte Gruppe wurde zur Kontrolle mit einem Placebo behandelt.

Die Wirkung war deutlich: Der Einfluss der Belohnung war bei denjenigen Teilnehmern am größten, deren Dopaminspiegel zuvor durch Levopoda erhöht worden war. Auch die Mitglieder der Placebo-Gruppe lernten nach jedem Versuch dazu, allerdings weniger stark. Bei den Teilnehmern, denen der Dopamin-Hemmer verabreicht wurde, fehlte der Belohnungseffekt dagegen völlig. „Offenbar wird die Interaktion zwischen den Regionen des Belohnungssystems und dem somatosensorischen Kortex über den Botenstoff Dopamin vermittelt“, so Pleger.

Anwendung bbei Schlaganfallpatienten denkbar

Diese Entdeckung eröffnet interessante Anwendungsmöglichkeiten für die Medizin. Durch gezielten Einsatz von Dopaminpräparaten könnte man in Zukunft zum Beispiel die Rehabilition von Schlaganfallpatienten unterstützen, schreiben die Forscher. Theoretisch seien auch Anwendungen für pharmazeutische „Lernverstärker“ denkbar.

Doch dabei ist Vorsicht geboten: „Ein übermäßig erhöhter Dopaminspiegel im Hirn wurde schon als Ursache für psychische Störungen wie Schizophrenie identifiziert“, gibt Pleger zu bedenken – „zu viel ist also nicht nur nicht gut, sondern könnte sogar gefährlich sein.“

(Max-Planck Gesellschaft, 30.07.2009 – NPO)

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