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Ökologie

Wenn der Schutzschild versagt…

Kohlmotte entschärft Senfölbombe

Kohlmotte Plutella xylostella © MPI für chemische Ökologie

Die Senfölbombe bewahrt Kreuzblütler wie Broccoli, Weißkohl oder Blumenkohl nicht davor, von einigen wenigen Insekten doch massiv angefressen und geschädigt zu werden. Wieso jedoch wirkt sie bei diesen Tieren nicht? Haben sie vielleicht Mittel und Wege gefunden, den Schutzschild zu umgeben?

Auf diese Fragen haben Ökologen mittlerweile eine Antwort parat. Die entscheidenden Hinweise zur Lösung des Problems lieferte dabei ein Pflanzenschädling, der kurioserweise als ausgewachsenes Insekt durchaus auf das Gift der Senfölbombe anspricht – die Kohlmotte Plutella xylostella. Während das erwachsene Tier Raps, Ackersenf oder Radieschen nur aufsucht, um Eier abzulegen, sind die Raupen der Kohlmotte schon seit ewigen Zeiten in der Landwirtschaft als Pflanzenschädlinge bekannt.

Spurensuche im Kot

Im Jahr 2002 kamen Wissenschaftler vom MPI für chemische Ökologie in Jena schließlich dem Geheimnis der Kohlmotten auf die Spur. Zunächst konnten sie ausgerechnet im Kot der immer hungrigen Raupen Glucosinolate nachweisen, die sich von den „normalen“ grundlegend unterschieden, denn ihnen fehlte der typische Sulfatrest.

Einmal aufmerksam geworden, untersuchten sie nun auch den Darminhalt der Raupen und wurden schnell fündig. Im Verdauungstrakt der Jungtiere ermittelten sie große Mengen eines bestimmten Eiweißes, der so genannten Glucosinolat-Sulfatase (GSS), die den Pflanzeninhaltsstoff Glucosinolat zerlegt und die Sulfatgruppe abspaltet.

Da sich der übrig gebliebene Rest nicht mehr mit den Myrosinasen verbindet, entstehen auch keine toxischen Substanzen, die der Raupe gefährlich werden könnten. Die Kohlmottenlarve „baut“ demnach in letzter Sekunde den Zeitzünder aus der Senfölbombe der Kreuzblütler aus und verhindert die Explosion.

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Wie die Forscher herausfanden, ist die GGS-Konzentration im Darm der Tiere so hoch, dass damit alle Glucosinolate aus den Blättern von Kreuzblütlern zersetzt werden können. „Den Schädlingen genügt also ein einziges Enzym, um ein sehr trickreich angelegtes pflanzliches Verteidigungssystem auszuschalten“, sagt dazu Heiko Vogel vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie.

Sulfatase-Gen nur in Raupen aktiv

Die Forscher hoffen jedoch, der gefräßigen Kohlmotte gerade durch die Entschlüsselung ihrer Strategie irgendwann einmal Herr zu werden. „Doch gerade deshalb bieten sich jetzt Möglichkeiten, den gefürchteten Kohlmotten wirklich auf den Leib zu rücken. Gelänge es, die Bildung dieses Enzyms im Magen der Kohlmotte zu blockieren, könnte die Senfölbombe der Kreuzblütler doch noch wirksam werden“, so Vogel.

Bis es soweit ist, wird es vermutlich noch eine Weile dauern. Immerhin konnten die Forscher mittlerweile klären, warum nur die Raupen der Kohlmotte das Abwehrbollwerk der Cruciferen „knacken“. Vogel gelang es zusammen mit seinen Kollegen nicht nur, das für die Sulfatase-Bildung zuständige Gen zu isolieren, sie wiesen auch nach, dass dieser Erbgutbaustein nur in den Darmzellen der Raupen und nicht im fertigen Insekt abgelesen wird.

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Stand: 04.02.2005

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Chemische Keule und betörender Duft
Verteidigungsstrategien von Pflanzen

Dornen, Gifte, Zucker, Lotus-Effekt
Die Waffen der Pflanzen

Gift oder Samen?
Chemische Verteidigung ist teuer

Bei Berührung Mord
Die Senfölbombe der Kreuzblütler

Wenn der Schutzschild versagt…
Kohlmotte entschärft Senfölbombe

Opfern für die Gemeinschaft
Kieselalgen schädigen Krebsnachwuchs

Auch Pflanzen rufen „Hilfe“
Mit Zucker und Düften befreundete Armeen anlocken

Hormone als Schlüsselelemente
Biochemischer Signalweg für chemische Verteidigung aufgeklärt

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