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Physik

Tempolimit auf dem Quanten-Highway

Erstmals enthüllt eine Messung, wie schnell sich Quantensignale in einem Vielteilchensystem ausbreiten

In einem mit Licht erzeugten Gitter gasförmiger Rubidiumatome breiten sich verschränkte Paare doppelt besetzter und leerer Gitterplätze aus. Wie schnell, haben Physiker nun erstmals gemessen. © woogie works animation studio

Der Quantencomputer könnte der Superrechner der Zukunft sein, doch auch er hat seine Grenzen. Forscher haben jetzt erstmals ausgerechnet, wie schnell ein solches System Quantensignale maximal übertragen kann – und damit wo das Tempolimit des Quantencomputers liegt. Die Wissenschaftler ermittelten, wie schnell sich in einem streng geordneten Gitter von Rubidiumatomen ein verschränktes Paar aus einem doppelt besetzten und einem leeren Gitterplatz trennt. Sie berichten darüber im Fachmagazin“Nature“.

In einem Quantencomputer gelten andere Gesetze als in seinem klassischen Pendant. Dass er Information prinzipiell anders übermittelt und verarbeitet, liegt an den gravierenden Unterschieden zwischen Quantenteilchen und klassischen Objekten. Während letztere etwa entweder schwarz oder weiß sind, können Quantenteilchen beide Farben gleichzeitig annehmen. Erst beim Messvorgang entscheiden sie sich für eine der beiden möglichen Eigenschaften. Aufgrund dieser Besonderheit können zwei Quantenobjekte einen gemeinsamen Zustand bilden, den Physiker verschränkt nennen und in dem ihre Eigenschaften fest verknüpft, also quantenkorreliert sind: Bestimmt eine Messung den Ort eines der Quantenobjekte, steht auch der Ort des anderen Teilchen fest.

Physiker um Stefan Kuhr und Immanuel Bloch vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching haben nun direkt beobachtet, wie schnell sich eine solche Quantenkorrelation in einem Medium ausbreitet. „Unsere Messung gibt uns erstmals Auskunft darüber, wie ein ganz elementarer Prozess bei der Ausbreitung von Quantensignalen abläuft“, sagt Bloch.

Verschränkte Paare tunneln durch Röhren im Lichtgitter

Ihr Experiment machten die Physiker an einem extrem kalten Gas aus Rubidiumatomen. Mit Lichtfeldern und Lasern strukturierten sie das Ensemble derart, sich die Teilchen zu einer regelmäßigen Gitterstruktur anordneten: In jedem hellen Gebiet sitzt dabei genau ein Atom wie in einer Mulde, die von der nächsten Mulde durch eine Barriere getrennt ist. Die Physiker stellen dabei die Barrierern so ein, dass einige Atome sie durchtunneln und auf den Nachbarplatz wechseln können. Auf diese Weise entstehen vereinzelt verschränkte Paare aus je einem doppelt besetzten Gitterplatz, Doublon genannt, und einem leeren Gitterplatz, einem Holon.

„Für ein verschränktes Paar ist zunächst nicht definiert, ob sich das Holon rechts oder links vom Doublon befindet. Beide Konstellationen sind gleichzeitig vorhanden“, erläutert Max-Planck-Forscher Marc Cheneau. Doublon und Holon wandern wie echte Teilchen durch das System, und zwar in entgegen gesetzte Richtungen. Diesen Prozess beobachten die Garchinger Physiker mit einem neuartigen Mikroskopieverfahren, das einzelne Atome auf ihren jeweiligen Gitterplätzen sichtbar macht. Vereinfacht ausgedrückt, schießen sie in festgelegten Zeitabständen immer wieder Schnappschüsse von den Atomen im Gitter. Die Aufnahmen zeigen, wo sich die Doublon- und Holon-Teilchen gerade befinden.

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Ausbreitung mit Lichtgeschwindigkeit

Aus der Strecke, die sich die beiden Partnerteilchen in einem bestimmten Zeitraum voneinander entfernt haben, lässt sich die Ausbreitungsgeschwindigkeit der jeweiligen Korrelation bestimmen. „Unsere Messergebnisse stimmen dabei mit den theoretischen Berechnungen sehr gut überein“, sagt Stefan Kuhr. Das Profil der Ausbreitungsgeschwindigkeit ähnelt demnach dem Lichtkegel, der das Tempolimit für Objekte gemäß der speziellen Relativitätstheorie vorgibt. „Wenn Quanteninformation mit Lichtquanten übertragen wird, ist die Sache klar: die Daten werden mit Lichtgeschwindigkeit weiter gegeben“, erklärt Cheneau.

Anders sieht es aus, wenn Quantenbits oder Quantenregister mit Festkörperstrukturen realisiert werden. Hier muss die Quantenkorrelation von Bit zu Bit weiter gereicht werden. „Wenn wir verstehen, wie schnell dieser Prozess ablaufen kann, wissen wir auch, was die Geschwindigkeit zukünftiger Quantenprozessoren begrenzen könnte“, sagt Marc Cheneau.

(Max-Planck-Gesellschaft, 03.02.2012 – NPO)

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