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Physik

Stringtheoretiker erklären Urknall

Wie sich das All kurz nach seiner Geburt entwickelt hat

Die Entstehung von Raum und Zeit anhand der neuen Ergebnisse: Das Universum, hier als Kugel dargestellt, ist kurz nach dem Urknall sehr klein und sehr heiß, Raum und Zeit sind aufgrund von Quanteneffekten unscharf. Mit zunehmender Größe wird das Universum sehr schnell glatt und lässt sich mit der Relativitätstheorie beschreiben. © MPI für Physik

Am Anfang des Universums stößt Albert Einstein an seine Grenzen: Denn beim Urknall gelten nicht die Gesetze der allgemeinen Relativitätstheorie, die das Universum im Großen beschreibt. Vielmehr gehorchte das Weltall am Anfang der Quantengravitation – Raum und Zeit verhielten sich nach denselben Quantengesetzen wie die kleinsten Teilchen. Nun haben Forscher eine Brücke zwischen den beiden Theorien geschlagen. Sie konnten erstmals beschreiben, wie sich Raum und Zeit in den ersten Sekundenbruchteilen nach dem Big Bang entwickelten – und zwar mit Hilfe der Stringtheorie.

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Die Ergebnisse weisen den Weg, wie das Universum aus der Phase der Quantengravitation in die Ära des kosmologischen Standardmodells übergeht, wie es die Relativitätstheorie beschreibt.

Bei der Geburt des Weltalls war die Materie unendlich dicht und die Raumzeit in einem Punkt unendlich stark gekrümmt. An dieser so genannten Singularität setzen die Vorschläge für eine Theorie der Quantengravitation an, und beginnt die Arbeit der Münchner Wissenschaftler. Ausgangspunkt ihrer Überlegungen ist die unscharfe Raumzeit, die Modelle der Quantengravitation liefern. „Daher wirkt das Universum ganz nah am Urknall ziemlich verschrumpelt“, sagt Projektleiterin Johanna Erdmenger vom Max-Planck-Institut für Physik in München in der Onlineausgabe der Physical Review Letters. Danach lassen sich die Orts- und Zeitkoordinaten eines Punkts nicht gleichzeitig bestimmen; in der Folge wird die Raumzeit selbst verschwommen, also unscharf.

Winzige schwingende Saiten

„Auf eine unscharfe Raumzeit kann die klassische Theorie jedoch nicht angewandt werden“, erklärt Erdmenger. Sie und ihre Mitarbeiter haben jetzt erstmals ein Modell entwickelt, wie aus dieser unscharfen Quantenraumzeit die klassische Raumzeit entsteht – und zwar mit Hilfe der Stringtheorie. Sie ist, neben der Schleifenquantengravitation, eine der beiden Theorien, die zukünftig einmal die „Nachfolge“ der Relativitätstheorie antreten könnten. Noch allerdings sind beide Theorien experimentell nicht belegbar und daher reine Gedankengebäude.

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„Nach unserem Modell nimmt die Unschärfe der Raumzeit im sich ausdehnenden Universum extrem schnell ab“, sagt Erdmenger. In ihren Rechnungen näherte sich das Team um Erdmenger dem Urknall bis auf Bruchteile von Sekunden.

Die Stringtheorie beschreibt die Elementarteilchen nicht punktförmig, sondern als winzige schwingende Saiten. Diese Saiten können sowohl geschlossen als auch offen sein. Geschlossene Strings ähneln einem winzigen Gummiring, offene Strings kann man sich wie eingespannte Violinsaiten vorstellen. Die Einspannpunkte sind in diesem Fall selbst dynamische Objekte, so genannte Dirichlet-Branen (D-Branen) und bewegen sich in der Raumzeit. Offene Strings und D-Branen nutzten die Forscher nun dazu, die Beschaffenheit der Raumzeit nahe dem Urknall zu erklären.

Die Wissenschaftler griffen dabei auf die so genannte Robertson-Walker-Metrik zurück, welche die Ausdehnung unseres Universums abhängig von der Zeit beschreibt. Da die Robertson-Walker-Lösung an jedem Punkt und in jeder Richtung gleich ist, erklärt sie ein homogenes und isotropes Universum. Das Modell der Münchener Physiker bedeckt die Robertson-Walker-Raumzeit gedanklich mit einem Netz unendlich vieler Saiteneinspannpunkte, mit D-Branen, und verbindet die Punkte untereinander mit offenen Strings.

Unschärfe nimmt schnell ab

Zwischen so genannten Dirichlet-Branen spannen sich die offenen Strings; deren Schwingungen sind stehende Wellen zwischen diesen Einspannpunkten. © MPI für Physik

Für diese Konstruktion beweist das Team um Erdmenger, dass nahe dem Urknall nicht alle Orte der D-Branen in dem Netz gleichzeitig exakt bestimmt werden können, also das kosmologische Standardmodell nicht funktioniert. Weiterhin zeigt ihr Modell jedoch auch, dass diese Unschärfe sehr schnell abnimmt, wenn der Radius des Universums wächst. Daher verhält sich das All schon kurze Zeit nach dem Urknall wieder nach den Gesetzen der allgemeinen Relativitätstheorie.

Das neue Modell könnte erklären, weshalb die Astronomen auf Bildern des Weltraumteleskops Hubble bisher vergeblich nach „Verwischungen“ gefahndet haben: Diese quantenmechanischen Effekte waren zwar vorhanden, zeigten sich aber nur Sekundenbruchteile nach dem Urknall – und kein Teleskop vermochte bisher in diese Epoche vorzudringen.

(idw – MPG, 18.06.2007 – DLO)

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