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Chemie

Erster Ring nur aus Kohlenstoff

Ringmolekül aus 18 Kohlenstoffatomen enthüllt erstmals die Struktur der Cyclocarbone

Cyclo(18)carbon
Ein Ring aus reinem Kohlenstoff: Diese Formvariante haben Chemiker nun erstmals erzeugt. © IBM Research

Nach mehr als 50 Jahren endlich geglückt: Chemiker haben erstmals einen Ring nur aus Kohlenstoffatomen erzeugt – ein lange gesuchtes Molekül. Denn diese Cyclocarbone ließen sich bisher nie untersuchen oder gar herstellen. Ihre Struktur blieb daher rätselhaft. Der nun erzeugte Ring aus 18 Kohlenstoffatomen löst dieses Rätsel, denn er enthüllt, dass die Atome im Ring durch abwechselnde Einfach- und Dreifachbindungen miteinander verknüpft sind, wie die Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten.

Kohlenstoff ist ein extrem vielseitiges Element. Denn er ist nicht nur Bestandteil aller organischen Moleküle vom Methangas bis zur DNA, sondern kann selbst in Reinform viele verschiedene Strukturen bilden. Die Spanne reicht von Graphit und dem einschichtigen „Wundermaterial“ Graphen über den Diamant bis hin zu komplexen Fullerenen – fußballähnlichen Molekülen aus 60 Kohlenstoffatomen. Letztere kommen sogar im Weltall vor.

Cyclocarbon
Cyclocarbone waren bisher zu flüchtig und reaktiv, um sie "dingfest" zu machen. © IBM Research

Die Suche nach dem Ring

Doch eine Kohlenstoff-Variante erwies sich als schwer fassbar: Cyclocarbone. Während ringförmige Kohlenwasserstoffe allgegenwärtig sind, gelang es den Chemikern bislang nicht, ringförmige Moleküle nur aus Kohlenstoffatomen herzustellen. „Es gibt zwar Belege für die Existenz von Cyclocarbonen in der Gasphase, aber diese hochreaktive Spezies konnte weder strukturell charakterisiert noch in kondensierten Phasen untersucht werden“, berichten Katharina Kaiser vom IBM-Forschungszentrum Zürich und ihre Kollegen.

Entsprechend rätselhaft blieben diese Kohlenstoffringe bisher. So war nicht einmal klar, ob die Kohlenstoffatome in diesen Ringen über Doppelbindungen miteinander verknüpft sind oder ob sich im Ring Dreifachbindungen mit Einfachbindungen abwechseln. Da Kohlenstoff vier Außenelektronen besitzt, die an einer kovalenten Bindung teilnehmen können, wäre theoretisch beides möglich.

18-er Ring durch Kohlenmonoxid-Klau

Jetzt ist Kaiser und ihrem Team gelungen, was Chemiker seit mehr als 50 Jahren versuchen: Sie haben erstmals ein Cyclocarbon erzeugt und untersucht. Für ihr Experiment erstellten sie zunächst eine geeignete Unterlage aus einer Natriumchlorid-Schicht auf einer Kupferunterlage. Auf dieses Substrat dampften sie die ringförmige Kohlenstoffoxid-Verbindung C24O6 auf.

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Nun folgte der entscheidende Schritt: Sie positionierten die Spitze eines Rasterkraftmikroskops (AFM) wenige Nanometer oberhalb des Moleküls und schickten für wenige Sekunden eine erhöhte elektrische Spannung durch das Ensemble. Diese Prozedur führte zur Entfernung von zwei, vier oder sechs Kohlenstoffmonoxid-Einheiten“, berichten die Forscher.

Wurden dabei sechs CO-Moleküle aus dem Ring entfernt, blieb ein reines Kohlenstoffgerüst übrig: ein Ring aus 18 Kohlenstoffatomen. Ein solches Cyclo(18)carbon gilt als die kleinste thermodynamisch stabile Form dieser Ringmoleküle.

Cyclo(18)carbon-Bildung
Bildung des Cyclo(18)carbons aus dem Vorgängermolekül C24O6 und Übergangsformen. © IBM Research

Wechsel von Dreifach- und Einfachbindungen

Damit ist es den Forschern erstmals gelungen, einen reinen Kohlenstoffring herzustellen. Und nicht nur das: Mithilfe des Rasterkraftmikroskops gelang es ihnen auch, die Frage nach der Bindungsstruktur dieses Cyclocarbons zu beantworten. „Das resultierende Molekül zeigte eine zyklische Struktur mit neun hellen Wölbungen“, berichten Kaiser und ihr Team. „Analog zum Vorgängermolekül kann dies damit erklärt werden, dass sich die hellen Wölbungen über Dreifachbindungen befinden.“

Das bedeutet: In diesem 18-er Ring sind die Kohlenstoffatome nicht über Doppelbindungen miteinander verbunden, sondern durch alternierende Einfach- und Dreifachbindungen. Damit ist die schon seit Jahrzehnten diskutierte Frage nach der Struktur der Cyclocarbone endlich beantwortet.

Extrem reaktionsfreudig

Die Experimente ergaben zudem, dass dieses Cyclocarbon extrem reaktionsfreudig ist. Schon eine leicht erhöhte Spannung führte zur Fusion zweier benachbarter Ringe, wie die Forscher berichten. Das macht diese Ringe zu vielversprechenden Ausgangssubstanzen für weitere exotische Kohlenstoffformen.

„Die hohe Reaktivität des Cyclo(18)carbon und seiner Oxide ebnet den Weg für die Synthese auch anderer Kohlenstoff-Allotrope und kohlenstoffreicher Materialien“, erklären Kaiser und ihr Team. (Science, 2019; doi: 10.1126/science.aay1914)

Quelle: Science

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