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Chemie

Ein Möbiusband aus Kohlenstoff

Chemiker erzeugen erstmals verdrehtes Band aus ringförmigen Kohlenstoff-Molekülen

Möbiusband
Dieses Band aus ringförmigen Kohlenstoff-Molekülen ist in sich verdreht - es ist ein Möbiusband.© Issey Takahashi/ Nagoya University

Der Dreh machts: Chemiker haben erstmals ein Möbiusband aus Kohlenstoff erzeugt – ein in sich verdrehtes Band aus ringförmigen Kohlenstoffmolekülen. Seine spezielle Form verleiht dem Kohlenstoff-Möbiusband gegenüber normalen Ringen neue Eigenschaften, darunter Fluoreszenz, Chiralität und eine besonders hohe Energie. Erste spektroskopische Analysen enthüllten zudem, dass die verdrehte Stelle um das Band wandert, wenn diese in Lösung ist.

Kohlenstoff ist ein Grundbaustein der irdischen Chemie: Er bildet die Basis für alle organischen Verbindungen auf unserem Planeten und erzeugt so unterschiedliche Kristalle wie Graphit und Diamant. Je nach Kombination und Molekülstruktur kann das Element dabei unterschiedlichste Eigenschaften entfalten – entsprechend vielseitig sind die Anwendungsmöglichkeiten. Die Spanne reicht von Kohlenstoff-Nanoröhrchen für Computer und Konstruktionen über Kunststoffe, Kraftstoffe und Medikamente bis hin zu neuen Materialien.

Synthese
Über 14 Reaktionsschritte entsteht aus den Ausgangsmolekülen das Kohlenstoff-Möbiusband. © Yasutomo Segawa et al./ Nature Synthesis 2022

Ein Kohlenstoffband mit „Twist“

Eine ganz spezielle Art von Kohlenstoff-Molekül haben nun Chemiker um Yasutomo Segawa von der Universität Nagoya produziert – ein Möbiusband aus Kohlenstoff. Dieses besteht aus einer Kette von flachen, ringförmigen Kohlenstoff-Molekülen, die einen verdrehten Ring bilden. Während molekulare Möbiusbänder in der Natur durchaus vorkommen, war die Synthese eines Kohlenstoff-Möbiusbands im Chemielabor bisher nicht gelungen. „Ein solcher Kohlenstoff-Nanogürtel in Möbiusform war ein Traummolekül für die Wissenschaftlergemeinschaft“, sagt Segawas Kollege Kenichiro Itami.

Das Problem: Während einfache, nicht verdrehte Ringe oder Gürtel aus Kohlenstoff im Prinzip nur die dünne Scheibe eines Kohlenstoff-Nanoröhrchens darstellen, sind gedrehte Bänder anders. „Die zusätzliche Drehung innerhalb der Band-Struktur erhöht die Spannung im fertigen Molekül“, erklärt Segawa. Die verdrehte Version eines solchen Kohlenstoffbands hat dadurch die rund dreifach höhere Spannungsenergie als ein gleichgroßes, nicht verdrehtes Band.

In 14 Schritten zum Erfolg

„Wir wussten von unserer vorhergehenden Synthese der einfachen Kohlenstoff-Nanobänder, dass diese Spannungsenergie die größte Hürde für die Synthese ist“, sagt Segawa. Um diese Hürde zu überwinden, nutzten die Chemiker chemische Modelle, mit denen sie die Energie jedes potenziellen Syntheseschritts kalkulieren und so die jeweils beste Lösung auswählen konnten. Dabei stellten sie unter anderem fest, dass eine ungerade Zahl dieser zyklischen Grundeinheiten entscheidend für die Bildung verdrehter Bänder ist.

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Auf diesen Erkenntnissen aufbauend entwickelte das Team ein Syntheseverfahren, in dem über 14 verschiedene Reaktionsschritte nach und nach das Möbiusband aus zwei Ausgangsmolekülen entsteht. Das Resultat ist das erste Möbiusband aus ringförmigen Kohlenstoff-Molekülen. Insgesamt besteht seine Struktur aus 280 Kohlenstoff-Atomen, 260 Wasserstoff-Atomen und 20 Sauerstoff-Atomen.

Fluoreszierend, chiral und dynamisch

Nähere spektroskopische Analysen enthüllten zudem, dass dieses Band anders als die nicht verdrehte Variante chiral ist – es existiert in zwei spiegelbildlichen Varianten. Zudem zeigt das Kohlenstoff-Möbiusband eine grünlich-blaue Fluoreszenz. Interessant auch: Wenn man dieses verdrehte Band aus Kohlenstoffmolekülen in eine Lösung gibt, gerät der Ring in Bewegung. „NMR-Spektroskopie und Modellsimulationen enthüllten, dass der gedrehte Teil der Möbiusstruktur sich in Lösung schnell um das Band herumbewegt“, berichten Segawa und seine Kollegen.

Die Chemiker sehen in der gelungenen Synthese des Kohlenstoff-Möbiusbands einen ersten Schritt zu weiteren, noch komplexeren Gebilden aus Kohlenstoff-Molekülen. Diese könnten dann wegen ihrer besonderen Eigenschaften zu neuen funktionellen Materialien für die Nanotechnologie, Elektronik, Optik oder auch biomedizinischen Anwendungen führen. (Nature Synthesis, 2022; doi: 10.1038/s44160-022-00075-8)

Quelle: Nagoya University, Hokkaido University

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