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Mikrobiologie

Bienen: Gefahr durch neue Virusmutante

Neue Variante des Flügeldeformationsvirus breitet sich weltweit aus

Honigbiene
Eine neue Mutante des Flügeldeformationsvirus bereitet sich aus und bedroht Honigbienen weltweit. © Shaiith/ Getty images

Pandemie unter Bienen: Eine neue Mutante des tödlichen Flügeldeformationsvirus breitet sich unter Bienen weltweit aus. Die DWV-B getaufte Mutante des Bienenvirus ist deutlich ansteckender und aggressiver als der schon seit den 1980er Jahren grassierende Ursprungstyp. Neuen Analysen zufolge ist DWV-B inzwischen auf allen Kontinenten außer Australien nachweisbar und bedroht neben Honigbienen auch Hummeln und andere Wildbienen. Das könnte das Bienensterben noch verstärken.

Bienen sind für die Bestäubung von Pflanzen unverzichtbar, kämpfen aber zunehmend um ihr Überleben. Denn neben Pestiziden, Futtermangel und der blutsaugenden Varroamilbe setzt ihnen vor allem das Flügeldeformationsvirus (DWV) zu. Dieses RNA-Virus tötet Bienenlarven und verursacht bei erwachsenen Bienen verkrüppelte Flügel. Es gilt als größte Bedrohung für Honigbienen weltweit. Durch die Varroamilbe kann das Virus zudem auf Wildbienen wie die Hummel übertragen werden und diese ebenfalls befallen.

Varroamilbe
Die parasitische Varroamilbe trägt zur Übertragung des Flügeldeformationsvirus bei. © Piscisgate/ CC-by-sa 4.0

Bienenvirus ist mutiert

Die ursprüngliche Variante des Bienenvirus ist schon seit den 1980er Jahren bekannt und grassiert bei Bienen weltweit. Doch ähnlich wie das Coronavirus SARS-CoV-2 entwickelt sich auch das Flügeldeformationsvirus im Laufe der Zeit weiter: Mutationen im viralen Genom führen dazu, dass neue Varianten entstehen. „Es ist bekannt, dass DWV-Varianten sich rekombinieren können, mehrere neue Formen wurden bereits berichtet“, erklären Robert Paxton von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und seine Kollegen.

Eine dieser Varianten gibt nun Anlass zur Sorge. Dieser DWV-B getaufte Genotyp wurde im Jahr 2001 erstmals in den Niederlanden nachgewiesen. Er trägt Mutationen, die 16 Prozent seines Genoms gegenüber der Ursprungsvariante verändern – und die dieser Virenvariante Vorteile zu verleihen scheinen: „Unsere Laborstudien haben gezeigt, dass die neue Variante Bienen schneller tötet und dass sie gleichzeitig besser übertragen wird“, sagt Paxton.

Von Europa in die ganze Welt

Das weckte die Frage, wie stark sich diese neuen Mutante des Flügeldeformationsvirus inzwischen verbreitet hat. Um das herauszufinden, haben Paxton und sein Team Gendaten und Publikationen zu DWV-Viren ausgewertet, die in der Zeit von 2008 bis 2021 weltweit bei Honigbienen gefunden worden waren. Parallel dazu führte das Team in Deutschland, Großbritannien und Italien eigene Beprobungen durch.

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Das Ergebnis: „Seit seinem ersten Nachweis im Jahr 2001 hat DWV-B sein Verbreitungsgebiet rapide vergrößert“, berichten die Forscher. „Inzwischen ist dieses Virenvariante auf allen großen Landmassen der Erde außer in Australien präsent.“ Das neue Flügeldeformationsvirus breitet sich dabei in den 2000er Jahren vor allem in Europa und Afrika aus, seit 2010 grassiert es auch in Nord- und Südamerika, seit 2015 ist es in Asien nachweisbar.

Aggressiver und leichter übertragbar

Die Analysen belegen auch, dass die neue Virenvariante dem Ursprungsstamm DWV-A offenbar überlegen ist: In Deutschland und einigen anderen Ländern mit schon länger anhaltenden Befall hat DWV-B den alten Virentyp bereits verdrängt. In erst kürzlich befallenen Ländern bahnt sich diese Verdrängung hingegen erst an. „Basierend auf den Daten aus Europa prognostizieren wir aber, dass DWV-B in den nächsten ein bis zwei Dekaden auch in den USA die Überhand gewinnen wird“, berichtet das Team.

Warum DWV-B das alte Flügeldeformationsvirus verdrängen kann, ist noch nicht eindeutig geklärt. Laborstudien deuten aber darauf hin, dass der Befall mit der neuen Mutante bei den infizierten Bienen zu einer höheren Viruslast führt. Das erhöht das Risiko für eine Ansteckung. Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass DWV-B von der Varroamilbe nicht nur übertragen wird, es kann sich in ihr auch vermehren. „Das könnte einen zusätzlichen Mechanismus darstellen, der die Ansteckungsrate bei DWV-B gegenüber der von DWV-A erhöht“, erklären Paxton und seine Kollegen.

Gefahr auch für Wildbienen?

Eine potenzielle Gefahr könnte das neue Flügeldeformationsvirus aber nicht nur für die Honigbienen weltweit darstellen: Auch andere Bienen werden von diesem viralen Erreger befallen. „Wenn DWV-B in den Honigbienen-Populationen hohe Inzidenzen erreicht, dann ist es wahrscheinlich, dass auch andere Insekten in seinem Verbreitungsgebiet in höherem Maße betroffen sein werden“, erklären Paxton und seine Kollegen.

Inwieweit sich die neue Virenvariante auch für diese Insekten gefährlicher ist als die alte, ist aber noch offen: „Ob das Virus bei Hummeln und anderen Wildbienen ähnlich verheerende Folgen haben wird, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen. Bislang sterben kommerziell gehaltene Hummelvölker mit dem Virus immerhin nicht deutlich häufiger“, sagt Paxton.

Für einen Befall mit dem Flügeldeformationsvirus gibt es bisher kein Heilmittel. Man kann aber Bienen durch vorbeugende Maßnahmen für einer Einschleppung des Virus und übertragenden Varroa-Milben schützen: „Das Wichtigste ist es, auf die Hygiene im Bienenstock zu achten“, betont Paxton. „Hier können einfache Maßnahmen helfen, nicht nur das eigene Volk vor Varroa zu schützen, sondern auch Wildbienen, um die sich sonst niemand kümmert.“ (International Journal for Parasitology, 2022; doi: 10.1016/j.ijppaw.2022.04.013)

Quelle: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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