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Phänomene

Sind Sprachen in den Tropen lauter?

Wie Umwelt und Sprachklang zusammenhängen

Sprachen
Viele Sprachen in wärmere Regionen haben viele Vokale und erscheinen volltönender, Sprachen in kühleren Regionen sind dagegen häufig konsonantenreicher. Ist das nur Zufall? © Tine Pape/ Cluster ROOTS

Es gibt Sprachen, die strotzen vor stimmlosen Konsonanten und klingen eher nuschelig, wie viele slawische Sprachen oder auch die einiger nordamerikanischer Indianervölker. Andere Sprachen sind dagegen vokalreich, volltönend und eher laut wie das Hawaiianische und andere Sprachen tropischer Regionen. Ist das nur Zufall? Oder steckt mehr dahinter? Das haben Forschende jetzt näher untersucht – mit interessantem Ergebnis.

Sprache ist eine einzigartig menschliche Fähigkeit. Sie ermöglicht uns eine komplexe Kommunikation, dient der Weitergabe von Wissen und Ideen und prägt sogar unser Denken, Fühlen und unsere Wahrnehmung. Im menschlichen Gehirn sind mehrere Zentren speziell auf die Verarbeitung und Erzeugung von Sprache spezialisiert und unser Lautapparat kann feinste Klang-Nuancen erzeugen. Im Laufe der Geschichte haben Menschen dabei ganz unterschiedlich klingende Sprachen entwickelt.

Auffallende Unterschiede

Aber warum? Was bestimmt, welche Lautformen sich in welcher Region entwickelt haben? „Lange ging die Forschung davon aus, dass sprachliche Strukturen in sich geschlossen sind und nicht in irgendeiner Weise von der sozialen oder natürlichen Umwelt beeinflusst werden“, erklärt Søren Wichmann von der Universität Kiel. Andererseits erscheint es eigentlich naheliegend, dass bestimmte Umweltfaktoren wie die Landschaft, das Wetter oder die Vegetation auch die Sprachentwicklung prägen, denn sie beeinflussen, wie gut oder schlecht sich bestimmte Laute akustisch ausbreiten.

Auffällig auch: Einige vor allem in kühleren Regionen gesprochene Sprachen wie das Russische oder die Salish-Sprachen einiger nordamerikanischer Indianer enthalten einen hohen Anteil von Konsonanten. „In den Salish-Sprachen gibt es sogar einige Wörter ganz ohne Vokale, wie płt – ‚dick‘ oder pk’m ‚Moskito'“, erklären die Forschenden. Im Gegensatz dazu haben Sprachen der tropischen Regionen, beispielsweise das Hawaiianische, oft mehr Vokale und klingen lauter und sonorer.

Zusammenhang von Sprachklang und Temperatur

Doch ist dies Zufall oder steckt ein System dahinter? Um das zu klären, haben Wichmann, Erstautorin Tianheng Wang von der Nankai Universität in China und ihre Kollegen Klang, Sonorität und Vokalanteil von gut 9.000 Sprachen und Dialekten ausgewertet und diese in Bezug zur geografischen Lage und den dort herrschenden Lufttemperaturen im Jahresverlauf untersucht.

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Sprachverteilung
Weltweite Verteilung von volltönenden (Rottöne) und eher konsonantenlastigen, wenig sonoren Sprachen (blau). © Tianheng Wang, Søren Wichmann et al./ PNAS Nexus, 2023

Das Ergebnis: „Die Sprachen mit höherer Sonorität konzentrieren sich rund um den Äquator und auf der südlichen Erdhalbkugel“, berichtet das Team. Besonders ausgeprägt ist dies bei den Sprachen in Ozeanien und Afrika, die oft vokallastig und relativ volltönend sind. Auf der Nordhalbkugel und dort vor allem in den höheren Breiten herrschen dagegen Sprachen mit mehr Konsonanten und geringerer Sonorität vor.

„Vereinfacht gesagt, sind Sprachen in wärmeren Regionen lauter als die in kälteren Regionen“, sagt Wichmann. Als mögliche Ursache sehen er und sein Team den Einfluss kalter und warmer Luft auf die Lautausbreitung: „So stellt die Trockenheit der kalten Luft einerseits eine Herausforderung für die Produktion stimmhafter Laute dar, die eine Vibration der Stimmbänder erfordern“, erklärt der Forscher. „Andererseits neigt warme Luft dazu, stimmlose Laute zu begrenzen, indem sie deren Hochfrequenzenergie absorbiert.“

Ausnahmen und offene Fragen

Allerdings gibt es auch einige Ausnahmen von diesem Trend, beispielsweise in Mittelamerika und auf dem südostasiatischen Festland. Dort weisen einige Sprachen eine eher niedrige mittlere Sonorität aufweisen, obwohl sie in sehr warmen Regionen gesprochen werden. Dies führen die Wissenschaftler auf die historische Entwicklung dieser Sprachen und die frühe Migrationsgeschichte dieser Volksgruppen zurück.

„Insgesamt konnten wir aber eine deutliche Beziehung zwischen der mittleren Sonorität von Sprachfamilien und der mittleren Jahrestemperatur feststellen“, berichten die Forschenden. „Der positive Zusammenhang ist über Makroregionen und Sprachfamilien hinweg nachweisbar.“ Allerdings gibt es in den Details noch einige offene Fragen, darunter auch, ob und wie sich stark wechselnde Jahreszeiten auf die Sprachevolution auswirken oder welche Rolle Luftfeuchtigkeit, Landschaft und Vegetation spielen. (PNAS Nexus, 2023; doi: 10.1093/pnasnexus/pgad384)

Quelle: Universität Kiel, Cluster of Excellence ROOTS

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