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Physik

Feinstrukturkonstante neu gemessen

Physiker ermitteln Naturkonstante erstmals direkt – durch den Drehwinkel der Polarisation

Feinstrukturkonstante
Die Feinstrukturkonstante gibt die Stärke der elektromagnetischen Grundkraft an – und prägt damit fast alle Prozesse in unserem Universum. © BlackJack3D/ iStock

Verblüffend simpel: Physiker haben eine neue Art gefunden, um die Feinstrukturkonstante direkt zu messen – eine der wichtigsten Grundgrößen der Physik. In ihrem Experiment verrät sich dieser Wert für die elektromagnetische Grundkraft durch eine sprunghafte Änderung in der Polarisation eines Messstrahls. Am Drehwinkel lässt sich dann direkt die Feinstrukturkonstante ablesen – ohne fehleranfällige Umrechnungen oder veränderliche Einflussfaktoren.

Die Feinstrukturkonstante ist eine der fundamentalen Größen unseres Universums: Sie beschreibt die Stärke der elektromagnetischen Wechselwirkung und damit eine der vier Grundkräfte. Damit bestimmt sie unter anderem die Größe der Atome, prägt kernphysikalische und chemische Reaktionen und fast alle Prozesse in unserem Universum. Auch viele Naturkonstanten und unser physikalisches Standardmodell beruhen auf ihr.

Entsprechend wichtig ist es, die Feinstrukturkonstante möglichst genau zu kennen. Zwar lässt sich ihr Näherungswert einfach als Bruchzahl 1/137 angeben. Um ihren präzisen Wert zu ermitteln, sind jedoch teils aufwendige Experimente nötig. Dabei werden in der Regel zunächst andere, verwandte Größen gemessen, aus denen man dann die Feinstrukturkonstante errechnet.

Experiment
Am Drehwinkel des vom Quanten-Hall-Effekt erzeugten Sprungs in der Polarisation eines Laserstrahls lässt sich direkt die Feinstrukturkonstante ablesen. © Tatiana Lysenko / TU Wien

Mit Quanten-Hall-Effekt und Polarisation

Doch es geht auch einfacher, wie nun Physiker um Alexey Shuvaev von der TU Wien demonstrieren. Sie haben ein Experiment entwickelt, durch das die Feinstrukturkonstante direkt messbar wird. Grundlage ihres Ansatzes ist der sogenannte Quanten-Hall-Effekt. Er sorgt bei tiefen Temperaturen und starken Magnetfeldern dafür, dass sich der Widerstand eines Materials nicht mehr kontinuierlich verändert, sondern stufenweise – er wird gequantelt.

„Dieser gequantelte Widerstand im Quanten-Hall-Effekt bietet uns eine einzigartige Möglichkeit, die Feinstrukturkonstante zu messen“, erklären die Physiker. „Wenn man die statische Messung dieses Effekts in den optischen Bereich überträgt, entspricht die Feinstrukturkonstante einem Drehwinkel.“ Einfacher ausgedrückt: Wenn man einen Messstrahl durch ein Material mit Quanten-Hall-Effekt leitet, verändert dies Schwingungsrichtung der Strahlung. Und der Winkel, um den diese Polarisation springt, verrät die Konstante – so die Theorie.

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Die Methode im Test

In der Praxis ist eine solche Messung allerdings nicht ganz so einfach. Denn man muss ein Material finden, dessen Quanten-Hall-Effekt möglichst klar abgegrenzt und gut messbar ist. Nur dann ist die quantisierte, sprunghafte Veränderung des Polarisationswinkels präzise messbar. Für ihr Experiment nutzten Shuvaev und sein Team einen nur sechs Nanometer dünnen monokristallinen Film auf einer Chrom-Bismut-Antimon-Terbium-Verbindung ((Cr0.12Bi0.26Sb0.62)2Te3) auf einer Gallium-Arsenid-Unterlage.

Dieses dünne Plättchen wurde bis auf knapp über den absoluten Nullpunkt heruntergekühlt und einem statischen Magnetfeld von rund einem Tesla ausgesetzt. Dann folgte die eigentliche Messung: Das Team richtete einen polarisierten Laserstrahl im Terahertzbereich auf das Messmaterial und ermittelte, ob und wie sich der Polarisationswinkel nach Passage durch das Material änderte.

„Dass ein Material die Polarisation eines Laserstrahls dreht, ist grundsätzlich nichts Ungewöhnliches. Doch wir haben es hier mit einem völlig anderen Effekt zu tun“, erklärt Seniorautor Andrei Pimenov von der TU Wien. „In unserem Fall wird die Polarisation nicht kontinuierlich gedreht – sie springt.“

Konstante direkt messbar gemacht

Das Experiment gelang: Die Messungen ergaben tatsächlich eine diskrete, reproduzierbare Veränderung der Polarisation und aus dem Drehwinkel dieses Sprungs ließ sich direkt die Feinstrukturkonstante ablesen. „Diese Methode erlaubt es, den universellen Drehwinkel und damit die Feinstrukturkonstante direkt zu beobachten – ohne jede Berechnung oder zusätzliche Parameter“, erklären die Physiker. „Die Feinstrukturkonstante wird unmittelbar als Winkel sichtbar.“

Damit bietet diese neue Art der Messung eine Möglichkeit, die so wichtige Naturkonstante unabhängig von anderen Parametern und Grundgrößen zu messen. Das könnte dabei helfen, ihren Wert so genau wie möglich zu bestimmen, aber auch klären, ob die Feinstrukturkonstante wirklich über Milliarden Jahre hinweg gleichgeblieben ist oder nicht. (Applied Physics Letters, 2022; doi: 10.1063/5.0105159)

Quelle: Applied Physics Letters, TU Wien

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