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Medizin

Ursache für „Brainfog” bei Long Covid entdeckt

Undichte Blutgefäße stören Gehirnfunktion nach Corona-Erkrankung

Illustration eines vernebelten Gehirns
Die neurologischen Ausfälle von Long-Covid-Patienten werden auch „Brainfog“ genannt. © bestdesigns / iStock

Löchrige Blut-Hirn-Schranke: Forschende haben erstmals geklärt, warum Long-Covid-Patienten so oft unter Gedächtnisproblemen und Konzentrationsschwierigkeiten leiden. Die Ursache für diesen „Brainfog“ sind demnach undichte Blutgefäße im Gehirn, wie eine Vergleichsanalyse von Hirnscans ergab. Diese neuen Erkenntnisse sind nicht nur für die Therapie von Long-Covid-Patienten relevant, sondern möglicherweise auch für Betroffene anderer Viruserkrankungen mit neurologischen Spätfolgen, schreibt das Team in „Nature Neuroscience“.

Einige Menschen, die sich mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 infizieren, leiden noch Wochen oder Monate nach der akuten Covid-Erkrankung an Spätfolgen. Schätzungen zufolge entwickeln weltweit bis zu zehn Prozent aller Corona-Infizierten langfristige Symptome, mit unterschiedlichen Ausprägungen in den einzelnen Ländern.

Dieses als Long Covid bekannte Phänomen erzeugt bis zu 200 verschiedene Symptome. Am häufigsten treten Kurzatmigkeit, Muskelschmerzen, chronische Erschöpfung sowie Konzentrations- und Gedächtnisstörungen auf. Die neurologischen Ausfälle werden auch „Brainfog“ genannt. Warum bei diesen Patienten die geistigen Fähigkeiten eingeschränkt bleiben, war jedoch bislang ein Rätsel.

Long-Covid-Patienten mit Brainfog im Fokus

Ein Team um Chris Greene vom Trinity College Dublin hat dies nun genauer untersucht. Dafür werteten die Forschenden Gesundheitsdaten von insgesamt 76 Long-Covid-Patienten und Patienten mit einer akuten Coronainfektion und unterschiedlich schwerem Krankheitsverlauf aus. Die Daten stammen von Krankenhausmitarbeitern aus Irland, die sich Anfang 2020, zu Beginn der Pandemie, infiziert hatten. Ihre Corona-Infektion wurde eindeutig durch PCR-Tests diagnostiziert.

Insbesondere analysierten Greene und seine Kollegen Gehirnscans der Patienten, die mit einer speziellen MRT-Form mit einem Kontrastmittel (DCE-MRT) aufgenommen wurden. Dies macht die Durchblutung der einzelnen Hirnstrukturen besonders gut sichtbar. Zudem untersuchten sie, welche Gene in den Blutzellen der Betroffenen aktiv waren und welche Moleküle im Blut kursierten. Daraus erhofften sie sich Rückschlüsse auf die Ursache des „Brainfogs“.

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Undichte Blutgefäße im Gehirn entdeckt

Tatsächlich offenbarten die Hirnscans sichtbare Unterschiede zwischen den Betroffenen: Die Bilder zeigten, dass bei Covid- und Long-Covid-Patienten, die unter „Brainfog“ litten, die Blutgefäße im Gehirn undicht waren, insbesondere im frontalen Cortex und in den Temporallappen. Dadurch gelangten verstärkt Blutbestandteile ins Gehirn. Bei Patienten ohne kognitive Einschränkungen war dies hingegen nicht der Fall. Durch diese Lecks in der Blut-Hirn-Schranke konnten die verschiedenen Patientengruppen mit und ohne „Brainfog“ zuverlässig erkannt und unterschieden werden, wie Greene und seine Kollegen berichten.

Die Blutanalysen ergaben zudem, dass bei Long-Covid-Patienten mit geistigen Einschränkungen das Gerinnungssystem der Blutzellen und die Immunantwort gestört waren. Außerdem hefteten sich ihre Blutzellen stärker an Gehirngewebe an und lösten eine Entzündungsreaktion aus, wie zahlreiche molekulare Marker im Blut anzeigten. Dadurch entwickelte sich im Körper der Brainfog-Patienten eine anhaltende Entzündung, wie die Wissenschaftler feststellten.

Durchbruch in der Long-Covid-Forschung

„Wir konnten zum ersten Mal zeigen, dass undichte Blutgefäße im menschlichen Gehirn zusammen mit einem hyperaktiven Immunsystem die Hauptursache für Brainfog im Zusammenhang mit Long Covid sein können“, sagt Seniorautor Matthew Campbell vom Trinity College. „Dies bestätigt auch, dass die neurologischen Symptome von Long Covid anhand realer und nachweisbarer Stoffwechsel- und Gefäßveränderungen im Gehirn messbar sind“, ergänzt Co-Seniorautor Colin Doherty vom St. James’s Hospital in Dublin.

Die Erkenntnisse müssen nun noch durch weitere Studien mit größeren Patientengruppen bestätigt werden. Diese Untersuchungen könnten dann auch klären, wie lange die Lecks in der Blut-Hirn-Schranke anhalten. Dennoch sind die Befunde ein wichtiger Durchbruch bei der Erforschung von Long Covid und insbesondere Neurocovid, wie Greene und seine Kollegen erklären.

Bessere Behandlung von Spätfolgen in Aussicht

Das Wissen um die Ursachen des „Brainfogs“ kann nun bei der Diagnose und Behandlung der Betroffenen helfen. „Das Verständnis der zugrunde liegenden Ursache dieser Erkrankungen wird es uns in Zukunft ermöglichen, gezielte Therapien für Patienten mit Brainfog zu entwickeln“, so Campbell.

Darüber hinaus könnte die Entdeckung der löchrigen Blut-Hirn-Schranke auch für andere neurologische Störungen relevant sein, die wahrscheinlich ebenfalls durch Virusinfektionen ausgelöst werden können. In Folgestudien untersucht das Team nun, ob diesen Spätfolgen von anderen Viruserkrankungen ebenfalls Gefäßveränderungen im Gehirn zugrunde liegen. (Nature Neuroscience, 2024; doi: 10.1038/s41593-024-01576-9)

Quelle: Trinity College Dublin

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