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Medizin

Unser Herz ist auf Ausdauer getrimmt

Evolutionäre Anpassungen des Pumporgans machten unsere Vorfahren ausdauernder

Herz
Unser Pumporgan: perfekt angepasst an Ausdaueraktivitäten © dr. microbe/ iStock.com

Ganz schön ausdauernd: Unser Herz wurde im Laufe der Evolution auf Ausdauer getrimmt. Wie Vergleiche mit Schimpansen offenbaren, weisen die Herzkammern unseres Pumporgans Anpassungen für einen Alltag mit moderat-anstrengenden, aber zeitintensiven körperlichen Aktivitäten auf. Genau das könnte in unserer modernen Welt jedoch zum Problem werden, berichten die Forscher.

Das Herz ist der wohl wichtigste Muskel des menschlichen Körpers. Tagtäglich ist es im Dauereinsatz, um Blut zu Zellen und Geweben zu pumpen und sie mit Sauerstoff und Nährstoffen zu versorgen. Ob in Ruhe oder bei körperlicher Anstrengung: Seine Arbeit hält unseren Kreislauf in Schwung und passt ihn dynamisch an jede Situation an.

Evolutionäres Erbe?

Im Laufe unserer Evolution musste das Pumporgan dabei vor allem Ausdauer beweisen. Während für unsere engsten Verwandten – Schimpansen und Gorillas – kraftintensive, aber kurze Aktivitätseinheiten wie Klettern und Kämpfen typisch sind, kam es bei unseren menschlichen Vorfahren auf etwas anderes an: Als Jäger, Sammler und später Landwirte waren sie zwar bei geringerer Intensität, dafür aber über längere Zeiträume körperlich aktiv.

Bekannt ist, dass sich unser Organismus unter anderem auf Ebene des Skelettsystems und der Thermoregulation im Laufe der Jahrmillionen an diese Lebensweise angepasst hat. „Doch ob die Selektion auf ähnliche Weise auch auf das Herz gewirkt hat, ist bisher nicht bekannt“, erklären Robert Shave von der University of British Columbia im kanadischen Kelowna und seine Kollegen.

Pumporgane im Vergleich

Um dies zu ändern, haben die Wissenschaftler diese Hypothese nun am Beispiel der linken Herzkammer überprüft. Sie wollten wissen: Wie unterscheiden sich Struktur und Funktion dieses Körperteils zwischen Menschen und ihren nahen Affenverwandten – und welche Rolle spielt der Beruf dabei?

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Für ihre Studie untersuchten die Forscher 43 halbwilde Schimpansen, 40 Menschen mit einer vorwiegend sitzenden Tätigkeit sowie 42 Farmer der indigenen Volksgruppe der Tarahumara aus dem Norden Mexikos. Außerdem sahen sie sich das Herz von 42 auf Ausdauer trainierten Langstreckenläufern sowie 40 American-Football-Spielern an, die als Linemen oft hochintensive, aber kurze Einsätze haben und entsprechende körperliche Voraussetzungen erfüllen müssen.

An Ausdauertraining angepasst

Die Vergleiche offenbarten: Tatsächlich unterscheiden sich die Herzkammern von Schimpansen und Menschen in einigen wesentlichen Merkmalen. Während der linke Ventrikel der Affen im Schnitt unter anderem runder ist und eine dickere Wand besitzt, kommt das menschliche Pendant dagegen dünnwandiger und lang gestreckt daher.

Wie Shave und seine Kollegen erklären, tragen diese Anpassungen dazu bei, das sogenannte Herzzeitvolumen anhaltend zu erhöhen – also das Volumen an Blut, das pro Zeiteinheit gepumpt wird. „Diese Anpassungen legen eine Selektion für regelmäßiges moderates Ausdauertraining nahe“, so die Wissenschaftler. Weniger gut kann das Pumporgan damit allerdings mit plötzlichen Blutdruckanstiegen umgehen, wie sie bei intensivem Krafttraining vorkommen.

Individuelle Unterschiede

Doch nicht nur zwischen den Arten, auch auf individueller Ebene zeigten sich beim Herzen Unterschiede. So waren bei den Langstreckenläufern und teilweise auch bei den Farmern die für Ausdauer wichtigen Merkmale wie eine größere Herzkammer und ein erhöhtes Schlagvolumen deutlicher ausgeprägt als bei den Football-Spielern und den körperlich wenig aktiven Probanden.

Insgesamt belegen die Ergebnisse nach Ansicht des Forscherteams damit die erstaunliche Plastizität unseres Pumporgans – sowohl im Hinblick auf unterschiedliche Lebensstile als auch die Evolutionsgeschichte.

Die Jahrmillionen lange Selektion für tägliche Ausdaueraktivitäten könnte in der modernen Welt jedoch zum Problem werden, wie die Wissenschaftler vermuten. Denn viele Menschen sind heute längst nicht mehr in dem Ausmaß aktiv, an das sich das Herz im Laufe der Evolution angepasst hat. Womöglich sind wir dadurch anfälliger für Blutdruckleiden und andere Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2019; doi: 10.1073/pnas.1906902116)

Quelle: PNAS

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