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Medizin

Magnete statt Viren als Genfähren

Neuer Genfähren-Typ soll Risiken senken

Magnete als Genfähren © TU München

Die Gentherapie gilt als die Hoffnung für zahlreiche bisher unheilbare Krankheiten. Doch die bisher als Genfähren eingesetzten Viren erwiesen sich als zu riskant. Jetzt wollen Wissenschaftler Gene mithilfe von Nanopartikeln und Magnetfeldern in Körperzellen transportieren.

Risiko durch virale Genfähren

Bei vielen Erkrankungen sind die blutbildenden Zellen beeinträchtigt. Dies ist beispielsweise bei den seltenen Erbkrankheiten SCID-X1 und ADA-SCID der Fall. Die Patienten, auch bekannt als „Bubble Kids“, leiden unter einer Störung des Immunsystems. Jede Infektion kann tödlich enden. Mithilfe von Viren sind Mediziner in der Lage, Gene in die blutbildenden Zellen der „Bubble-Kids“ einzubringen und so die defekte Erbanlage dauerhaft zu korrigieren.

Diese virale Gentherapie birgt jedoch Gefahren, denn die Virus-Gene können zu schwerwiegenden Komplikationen führen. In einer Studie mit elf „Bubble-Kids“ wurden acht Kinder geheilt, bei drei Kindern kam es jedoch zu einer unkontrollierten Vermehrung der behandelten Blutzellen. Dieses Problem wurde durch Bestandteile der verwendeten viralen Genfähren hervorgerufen, nicht durch das zur Therapie eingesetzte Gen. Auch bei anderen Krankheiten wie beispielsweise Krebs sind mögliche Nebenwirkungen des viralen Gentransfers eine Hürde für die ansonsten Erfolg versprechende Gentherapie. Doch wie kann man Gene ohne die praktischen „viralen Fähren“ in die menschliche Erbsubstanz einschleusen?

Magnete statt Virus

„Wenn unser Projekt gelingt, kann das ganz einfach sein“, erklärt Dr. Christian Plank, Biochemiker am Institut für Experimentelle Onkologie und Therapieforschung des Klinikums rechts der Isar der TU München. Er hat ein internationales Spezialistenteam mit 13 Arbeitsgruppen aus Europa, Israel und den USA zusammengestellt, die mithilfe von EU-Förderung an neuen Genfähren forschen. „Man verbindet Genmoleküle mit magnetischen Nanopartikeln und leitet sie dann mit einem Magnetfeld in die Zielzellen.“ Hinter dieser „schlichten“ Idee steckt jahrzehntelange Forschungsarbeit. Bereits in den 60er Jahren entwickelten Mediziner erstmals Methoden, um Medikamente per Magnet an den richtigen Ort im Körper zu transportieren.

Dieses Verfahren „magnetic drug targeting“ genannt, also, magnetische Arzneimitteltherapie, wurde intensiv weiterverfolgt und Mitte der 90er Jahre auch in der Krebsbehandlung beim Menschen eingesetzt. Ein Medizinerteam der Berliner Charité wagte den Schritt und brachte Anti-Tumor-Wirkstoffe per Magnettechnologie in die vom Krebs befallenen Organe. Die sogenannte „Nanomagnetomedizin“ war erfolgreich. Der Biochemiker Plank erfuhr davon und spann den Gedanken weiter: „Was für kleine Arzneistoffe funktioniert, sollte doch auch für Nukleinsäuren – die Bausteine der Gene – funktionieren.“

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Damit war der Grundstein für eine Gentherapie gelegt, die ohne virale Komponenten auskommt. Im Jahr 2000 begann Plank am Institut für Experimentelle Onkologie mit der Entwicklung der Methode, der sogenannten Magnetofektion, und war bereits nach wenigen Monaten erfolgreich. Doch bevor die Technik so etabliert und sicher ist, dass sie auch beim Menschen eingesetzt werden kann, stehen noch eine Reihe von Untersuchungen an.

Mit Nabelschnurblut und Nanopartikeln

Jede der 13 an dem EU-Projekt beteiligten Arbeitsgruppen führt eine dieser Untersuchungen durch. Die Aufgabe von Planks Arbeitsgruppe ist es, zwei entscheidende Prozesse miteinander zu verknüpfen: Erstens, die Gewinnung von blutbildenden Zellen (hämatopoetische Stammzellen) aus dem Nabelschnurblut mithilfe von magnetischen Nanopartikeln. Zweitens, die Verknüpfung dieser Stammzellen mit Gensequenzen – ebenfalls mithilfe magnetischer Nanopartikel. Kommen diese beiden Techniken zusammen, die magnetische Zellseparation und der magnetische Gentransfer außerhalb des Körpers, können die Wissenschaftler „gesunde“ Blutvorläuferzellen auf schnelle und kontrollierte Art gewinnen.

Werden diese gentherapeutisch behandelten Stammzellen dann in das Blut von Patienten wie beispielsweise den oben erwähnten „Bubble Kids“ übertragen, könnten die neuen Blutzellen die genetisch defekten Zellen ersetzen. Ob dieser letzte Schritt gelingen kann, untersuchen die anderen Arbeitsgruppen des internationalen Projekts. „Wir haben Anlass zur Hoffnung, dass es funktionieren könnte“, formuliert Plank vorsichtig. Seine Zukunftsvision: „In drei bis fünf Jahren könnte eine Form dieser neuen Methode im Klinikum rechts der Isar in der Krebstherapie zum Einsatz kommen.“

(TU München, 20.07.2005 – NPO)

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