US-Amerikaner haben bei vielen häufigen Krebsarten noch immer bessere Überlebenschancen als Deutsche: Dies zeigt ein Vergleich aktueller Langzeitdaten bei 23 verschiedenen Tumorerkrankungen durch das Deutsche Krebsforschungszentrum. Die besonders deutlichen Differenzen beim Brustkrebs sind vermutlich auch auf bessere Beteiligung an Früherkennungsmaßnahmen in den USA zurückzuführen, so die Wissenschaftler in ihrer Studie.
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Ein neuartiges Berechnungsverfahren ermöglichte zum ersten Mal einen aktuellen, direkten Vergleich der Langzeit-Überlebensraten von Krebspatienten in Deutschland und in den USA. Wissenschaftler der Abteilung von Professor Dr. Hermann Brenner im Deutschen Krebsforschungszentrum stellten für 23 verschiedene Krebserkrankungen die 5- und 10-Jahres-Überlebensraten beider Länder einander gegenüber.
Für mehrere Krebsarten unterscheiden sich die Prognosen in beiden Ländern deutlich: Deutlich und statistisch signifikant höhere 5- und 10-Jahres-Überlebensraten hatten amerikanische Patienten mit Prostata, Brust, Gebärmutterhals- und Mundhöhlenkrebs. Auch Darmkrebspatienten in den USA überleben geringfügig länger als in Deutschland. Beim Magenkrebs dagegen fällt die 5-Jahres-Überlebensrate in Deutschland günstiger aus.
Deutsche Frauen bei Brustkrebs im Nachteil
Ein auffälliges Ergebnis der Studie: Amerikanische Brustkrebspatientinnen haben durchgehend und unabhängig vom Erkrankungsalter eine bessere Prognose als deutsche. Während bei jüngeren Patientinnen die Ergebnisse beider Länder noch annähernd identisch sind, nimmt die 5-Jahres-Überlebensrate in Deutschland mit höherem Erkrankungsalter ab und erreicht zwischen der jüngsten und der ältesten Patientengruppe (unter 54 sowie über 75 Jahren) eine Differenz von zwölf Prozent.
US-Amerikaner überleben die ersten fünf Jahre nach der Diagnose Prostatakrebs zu annähernd hundert Prozent. Bei Deutschen liegt die 5-Jahres-Überlebensrate deutlich niedriger. Vor allem bei den jüngsten und den ältesten Patienten (unter 54 sowie über 75 Jahren) beträgt die Differenz zwischen beiden Ländern rund 18 Prozent.
Bei 14 Krebslokalisationen jedoch sind die Überlebensraten in Deutschland und den USA identisch. Dazu zählen insbesondere solche Erkrankungen, für die effiziente Therapien zur Verfügung stehen wie bestimmte Leukämien, Hoden- und Schilddrüsenkrebs.
Früherkennungs-Mammographie entscheidend
Wo es die Datenlage ermöglichte, verglichen die Wissenschaftler die Stadienverteilung bei Diagnosestellung. Während bösartige Tumoren der Lunge und des Darms in beiden Ländern in vergleichbar fortgeschrittenen Stadien diagnostiziert werden, wird Brustkrebs in den USA deutlich früher entdeckt: In den USA werden 63 Prozent der Tumoren in einem lokal begrenzten Stadium diagnostiziert, in Deutschland nur rund 50 Prozent.
Brenner und Kollegen interpretieren daher die Überlebens-Differenzen nach Brustkrebs als Resultat einer unterschiedlichen Wahrnehmung der Krebsfrüherkennung und nicht als Folge von Behandlungsunterschieden: In den USA gaben 80 Prozent der Frauen über 40 Jahre an, innerhalb der letzten zwei Jahre an einer Früherkennungs-Mammographie teilgenommen zu haben – in Deutschland dagegen wurden Mammographie-Screeningprogramme erst ab 2004 schrittweise eingeführt.
„Deutschland ist mit der Einführung der qualitätsgesicherten Mammographie-Screeningprogramme auf dem richtigen Weg“, erklärt Professor Dr. Otmar D. Wiestler, Wissenschaftlicher Vorstand des Deutschen Krebsforschungszentrums, „denn bereits jetzt sehen wir bei den Brustkrebsdiagnosen aus den Screeningprogrammen eine Verschiebung in Richtung frühere Stadien. Um den Rückstand bei anderen Krebsarten wie etwa beim Darm- oder Prostatakrebs aufzuholen, sind integrierte Konzepte der onkologischen Versorgung wie die neu entstehenden Comprehensive Cancer Centers ein wichtiger Ansatz.“
Neue Analysemethode entwickelt
Die Überlebensraten von Krebspatienten konnten mit traditionellen Analysemethoden häufig erst erheblich zeitverzögert erhoben werden. Hermann Brenner und Kollegen entwickelten mit der so genannten Periodenanalyse ein Verfahren, das auf wesentlich aktuelleren Daten beruht und dadurch auch jüngste Veränderungen erfasst, die aus neuen Diagnose- und Therapieverfahren resultieren.
Die Arbeit basiert auf Daten des Saarländischen Krebsregisters und des amerikanischen „SEER“-Programms, das Krebsneuerkrankungen in neun verschiedenen Regionen der USA erfasst. Bislang wurden bei vergleichenden Untersuchungen meist amerikanische und gesamteuropäische Daten gegenüber gestellt. „Interessant an dieser Studie ist, dass wir erstmals anhand von sehr aktuellen Daten den direkten Vergleich zwischen zwei Ländern ziehen konnten, die mit rund zehn Prozent des Bruttosozialprodukts vergleichbare Ressourcen in den Gesundheitsbereich investieren, jedoch völlig verschieden strukturierte Gesundheitssysteme haben,“ sagt Studienleiter Hermann Brenner.
(idw – Deutsches Krebsforschungszentrum, 22.03.2007 – DLO)