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Medizin

Grippe schützt vor Erkältung

Forscher weisen erstmals Wechselwirkung zweier viraler Krankheitserreger nach

Erkältung
Wenn die Grippe grassiert, haben Erkältungsviren das Nachsehen. © Sasha Suzi/ iStock.com

Teufel gegen Beelzebub: Wenn die Grippe umgeht, haben normale Erkältungsviren das Nachsehen. Denn der Befall mit Influenzaviren schützt offenbar vor einer Sekundär-Infektion mit den Rhinoviren, wie nun eine Studie enthüllt. Diese zuvor unbekannte Viren-Wechselwirkung gilt allerdings nur für einige Virentypen: Wer sich eine normale Erkältung einfängt, ist nicht vor einer Zweit-Infektion durch weitere Rhinoviren gefeit.

Der Winter ist klassische Erkältungszeit: Wenn es draußen kalt und nass ist, können sich die krankmachenden Rhinoviren besonders gut in Nase und Atemwegen einnisten. Die Folge sind Halsschmerzen, Schnupfen, Husten und weitere typische Erkältungssymptome. Weil es von den Rhinoviren unzählige verschiedene, sich schnell verändernde Varianten gibt, ist es sehr schwer, ein wirksames Mittel gegen den ordinären Schnupfen zu entwickeln.

Influenzavirus
Die Präsenz des Influenzavirus scheint Rhinoviren zu behindern. © CDC/ Doug Jordan

Weniger Erkältungen während der Grippewelle

Doch wie sich nun zeigt, gibt es durchaus etwas, das gegen die Erkältung schützt: Man kann den Teufel mit dem Beelzebub austreiben, wie nun Sema Nickbakhsh von der University of Glasgow und ihre Kollegen herausgefunden haben. Für ihre Studie hatten sie über neun Jahre hinweg an gut 36.000 Patienten mit Atemwegsinfekten untersucht, von welchen Viren diese befallen waren. Zusätzlich analysierten die Forscher auch auf Bevölkerungsebene epidemiologische Daten zum zeitlichen Verlauf und der Häufigkeit von Influenzafällen und Atemwegsinfekten.

Das Ergebnis: „Ein wirklich auffallendes Muster in unseren Daten ist eine Abnahme der Erkältungsfälle ungefähr zu der Zeit, in der im Winter die Grippeaktivität zunimmt“, berichtet Nickbakhsh. Den Bevölkerungsdaten zufolge erleben die Infektionen mit Rhinoviren immer dann ein Tief, wenn die alljährliche Grippewelle ihren Höhepunkt erreicht. Offenbar gibt es demnach eine Wechselwirkung zwischen diesen Krankheitserregern.

Schutz gegen Rhinoviren

Wie genau diese Wechselwirkung aussieht, zeigten die Analysen bei den einzelnen Studienteilnehmern. Als die Forscher das Muster der Co-Infektionen für elf verschiedenen Atemwegsviren auswerteten, stießen sie sowohl auf negative als auch positive Assoziationen. Demnach fördert die Infektion mit Rhinoviren einen Sekundärbefall mit dem vor allem bei Kindern häufigen Metapeneumovirus, ähnlich ist es bei zwei weiteren Virenarten, die grippeähnliche Beschwerden hervorrufen.

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Überraschend jedoch: Bei der Grippe gibt es genau den umgekehrten Effekt. Statt die Anfälligkeit für weitere Atemwegsviren zu erhöhen, scheint die Influenza sogar gegen Rhinoviren zu schützen. Simulationen zufolge kann dadurch das Risiko für eine normale Erkältung um bis zu 61 Prozent sinken. „Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Grippeinfektionen eng mit dem Vorkommen von Erkältungsinfekten verknüpft sind“, sagen die Forscher.

Konkurrenz um Ressourcen

Zusammengenommen zeigt dies, dass eine Vireninfektion keineswegs immer die Anfälligkeit für weitere Infekte erhöht. Obwohl das Immunsystem geschwächt wird und beispielsweise Bakterien dann leichteres Spiel haben, gilt dies für Viren nicht unbedingt. Stattdessen gibt es in manchen Fällen offenbar eine Konkurrenz der verschiedenen viralen Erreger, die eine Sekundärinfektion erschwert.

„Ähnlich wie Löwen und Hyänen in der Savanne um Nahrung konkurrieren, könnten auch die Atemwegsviren in unseren Atemwegen um Ressourcen konkurrieren“, sagt Nickbakhsh. Möglich sei beispielsweise, dass diese Viren sich die Wirtszellen streitig machen oder aber, dass die Immunreaktion auf ein Virus es für ein anderes schwerer macht, dieselbe Person zu befallen. Welche dieser Szenarien zutrifft, ist allerdings noch unklar.

Nach Ansicht der Forscher verdeutlichen diese Erkenntnisse vor allem eines: Auch Viren sind Teil eines Ökosystems und unterliegen vielfältigen Wechselwirkungen. „Wenn wir besser verstehen, wie die Viren interagieren und wie bestimmte Virusinfektionen andere verhindern oder begünstigen, dann könnten wir vielleicht bessere Methoden entwickeln, um gegen Viren vorzugehen“, sagt Koautor Pablo Murcia von der University of Glasgow. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2019; doi: 10.1073/pnas.1911083116)

Quelle: UK Research and Innovation

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