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Medizin

Erstes Affenkind aus unreifem Hodengewebe gezeugt

Neue Methode könnte Jungen nach Krebstherapie zu Nachwuchs verhelfen

Grady
Das Rhesusaffen-Baby "Grady" wurde mit Spermien gezeugt, die aus unreifem, transplantiertem Hodengewebe gewonnen wurden – eine Weltpremiere. © Oregon Health and Science University

Spannender Durchbruch: Eine neue Methode könnte Jungen nach einer Chemotherapie ihre Fruchtbarkeit zurückgeben – durch eingefrorenes Hodengewebe. Das weltweit erste Affenkind wurde nun dank dieser „autologen Transplantation“ geboren. Dafür wird unreifes Hodengewebe entnommen, eingefroren und später – nach der Chemo – wieder unter die Hodenhaut eingepflanzt. Dort reift es heran und produziert fruchtbare Spermien, wie die Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten.

Wer an Krebs erkrankt ist, muss damit rechnen, durch Chemotherapie und Bestrahlung unfruchtbar zu werden. Denn die aggressive Behandlung zerstört häufig die sensiblen Vorläuferzellen von Spermien oder Eizelle. Rund ein Drittel der präpubertären Krebspatienten wird dadurch später unfruchtbar. Das Problem: Weil der Hoden von Jungen vor der Pubertät noch keine Spermien produziert, können sie ihre Samenzellen nicht einfach vorher einfrieren.

Reife Spermien aus unreifem Gewebe

Eine Lösung wäre es, das unreife Hodengewebe zu konservieren – und dann später durch „Nachreifen“ daraus Spermien zu gewinnen. Bei unreifen Spermien-Stammzellen von Mäusen und Rhesusaffen ist dies bereits gelungen. Ähnlich vielversprechend waren Versuche, bei denen unreifes Hodengewebe nach dem Einfrieren wieder eingepflanzt und so zur Reife gebracht wurde.

Befruchtung
Befruchtung eines Rhesusaffen-Eis durch ein aus transplantiertem Hodengewebe gewonnenen Spermium. © Oregon Health and Science University

„Aber gesunden, lebenden Nachwuchs damit zu erzeugen, ist bisher nicht gelungen – und das ist der Goldstandard jeder Reproduktionstechnologie“, sagt Erstautor Adetunji Fayomi von der University of Pittsburgh. Deshalb sind er und sein Team nun einen Schritt weiter gegangen. Für ihr Experiment entnahmen sie fünf präpubertären Rhesusaffen Hodengewebe und froren es bis zu fünf Monate lang ein. Anschließend pflanzten sie den Affen Teile dieses Gewebes wieder unter die Haut von Hoden und Rücken.

Affenkind mit einzigartiger Zeugungsgeschichte

Es zeigte sich: Das eingepflanzte Hodengewebe wuchs ein und als die Affen in die Pubertät kamen, reiften darin auch Spermien heran. „Eine vollständige Spermatogenese wurde bei 100 Prozent der eingepflanzten Gewebestücke nachgewiesen“, so Fayomi und sein Team. Im nächsten Schritt isolierten sie die reifen Spermien und befruchteten damit 138 Eizellen von Rhesusaffenweibchen. Elf dieser Eizellen entwickelten sich zu Embryonen weiter und wurden Rhesusaffenweibchen als Leihmüttern eingepflanzt.

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Am 16. April 2018 war es dann soweit: Das Affenmädchen „Grady“ erblickte mittels Kaiserschnitt das Licht der Welt – lebendig und gesund. Sie ist das erste Affenbaby, das durch eine solche autologe Transplantation von Hodengewebe entstanden ist. „Mit der Geburt von Grady haben wir bewiesen, dass wir präpubertäres Hodengewebe einfrieren und es später zur Wiederherstellung der Fruchtbarkeit nutzen können“, sagt Fayomi.

Auch beim Menschen möglich

Sollte dies auch beim Menschen funktionieren, könnten sich junge Krebspatienten vor ihrer Chemotherapie Hodengewebe entnehmen lassen und durch dieses später ihre Furchtbarkeit zurückerhalten. „Dieser Fortschritt ist ein wichtiger Schritt dazu, jungen Krebspatienten in aller Welt die Chance zu geben, später doch eine Familie zu gründen“, sagt Fayomis Kollege Kyle Orwig. „Nachdem wir ein lebendes und gesundes Affenbaby produziert haben, halten wir diese Technologie für weit genug, um nun auch beim Menschen getestet zu werden.“

Ähnlich sehen dies auch einige Wissenschaftler, die nicht an der Studie beteiligt waren. „Da sich Affe und Mensch im Hinblick auf die Hodenentwicklung und Steuerung sehr ähneln, ist anzunehmen, dass diese Methodik prinzipiell auf den Menschen übertragbar ist“, schreiben die Reproduktionsmediziner Stefan Schlatt und Nina Neuhaus vom Universitätsklinikum Münster in einem begleitenden Kommentar.

Was noch geklärt werden muss

Allerdings: Bevor diese Methode auch beim Menschen zum Einsatz kommt, müssen noch einige Fragen geklärt werden. So ist „Grady“ erst elf Monate alt und damit noch lange nicht ausgewachsen. Ob sie auch langfristig gesund bleibt und fruchtbar ist, muss sich erst noch zeigen. „Es gilt zu klären, ob es mögliche genetische oder epigenetische Konsequenzen der Methode gibt“, sagt Artur Mayerhofer vom BioMedizinischen Zentrum München.

Und schließlich gibt es noch einen bedeutenden Unterschied der Affenstudie gegenüber dem späteren Einsatz beim Menschen: Die Affen wurden vor dem Wiedereinpflanzen des Hodengewebes kastriert. Ob das eingepflanzte Gewebe auch bei intakten Hoden Spermien produziert, muss daher noch untersucht werden, wie auch Fayomi und sein Team einräumen. Es könnte daher noch einige Jahre dauern, bis klinische Tests bei Menschen gemacht werden können.

Dennoch sehen sie und viele Fachkollegen in der Methode einen vielversprechenden Ansatz. „Diese Studie stellt einen wichtigen Meilenstein auf dem Gebiet der Infertilitätsbehandlung dar“, sagt Christine Wyns von der Universitätsklinik Brüssel. „Sie könnte Ärzte ermutigen, ihren Krebspatienten eine Kryokonservierung von präpubertärem Hodengewebe vorzuschlagen – mit Blick auf eine zukünftige klinische Anwendung.“ (Science, 2019: doi: 10.1126/science.aav2914)

Quelle: University of Pittsburgh, Science

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