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Astronomie

„Untoter“ Exoplanet verblüfft Astronomen

Exoplanet 8 Ursa minoris b kreist innerhalb der Todeszone seines Roten Riesen

8 Ursa minoris
Der 530 Lichtjahre entfernte Exoplanet 8 Ursa minoris b kreist so nah an einem Roten Riesen, dass dieser ihn eigentlich längster verschlungen haben müsste. © W. M. Keck Observatory/Adam Makarenko

Eigentlich dürfte es diesen Exoplaneten nicht geben: Der rund 530 Lichtjahre entfernte Planet 8 Ursa minoris b umkreist seinen Stern mitten in der Todeszone. Denn der Planet ist seinem Stern so nahe, dass der Roten Riese ihn längst verschlungen haben müsste – das aber ist nicht passiert. Theoretisch wären drei Erklärungen für diesen bisher einzigartigen Fall denkbar, wie die Astronomen in „Nature “ berichten. Welche davon zutrifft, ist jedoch noch offen.

Es ist ein Schicksal, das auch die Erde ereilen wird: Wenn ein sonnenähnlicher Stern seinen Wasserstoffvorrat im Kern verbraucht hat, verlagert sich die Kernfusion in seine Hülle. Durch dieses Schalenbrennen wird der Stern kühler, gleichzeitig bläht er sich stark auf – er wird zum Roten Riesen. In dieser Phase wird sich unsere Sonne über das gesamte innere Sonnensystem ausdehnen und dabei Merkur, Venus und Erde verschlingen. Wie ein solcher Planetentod aussieht, haben Astronomen erst kürzlich bei einem Exoplaneten beobachtet.

Vom Roten Riesen zum Red Clump
Entwicklung eines sonnenähnlichen Sterns vom Roten Riesen zum Red Clump und schließlich zum Ende als Weißer Zwerg. © Lithopsian/CC-by-sa 4.0

Ein Exoplanet im Kleinen Bären

Umso verblüffender ist ein Exoplanet, der diesem eigentlich unausweichlichen Schicksal offenbar entronnen ist. Der Planet 8 Ursa minoris b – auch Halla genannt – liegt rund 530 Lichtjahre von uns entfernt im Sternbild Kleiner Bär. Er ist etwas größer und schwerer als der Jupiter und umkreist seinen Stern einmal alle 93 Tage – soweit die damals mittels Radialgeschwindigkeit ermittelten Eckdaten. Unklar blieb jedoch, in welchem Stadium sich der Mutterstern dieses Exoplaneten befand und welche Ausdehnung er hat.

Deshalb haben Astronomen um Marc Hon von der University of Hawaii dieses Paar in den letzten Jahren noch einmal genauer unter die Lupe genommen. Sie beobachteten das System 8 Ursa minoris mit dem TESS-Weltraumteleskop der NASA und mit hochauflösenden Spektroskopen zweier großer Teleskope auf Hawaii. Anhand der dabei aufgezeichneten Helligkeitsschwankungen und Details im Lichtspektrum des Sterns konnte das Team mehr zu Alter, Masse und Entwicklungszustand des Sterns ermitteln.

Erst Ausdehnung, dann vorübergehendes Schrumpfen

Dabei zeigte sich: Der Stern 8 Ursa minoris- auch Baekdu genannt – befindet sich bereits im Zustand des sogenannten Roten Klumpens (Red Clump). Diese Phase folgt, wenn ein Roter Riese sich maximal aufgebläht hat und der Wasserstoffvorrat auch in der Hülle erschöpft ist. Dann beginnt das Helium in Sternenkern zu fusionieren. Als Folge dieses Heliumbrennens sackt der Rote Riese wieder in sich zusammen – er wird zum „Red Clump“.

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Für den Stern Baekdu bedeutet dies: Sein stellarer Radius liegt inzwischen nur noch bei nur 0,05 astronomischen Einheiten. Aber auf dem Höhepunkt seiner Ausdehnung muss der Rote Riese 0,7 astronomische Einheiten weit hinaus gereicht haben, wie Hon und sein Team mithilfe eines astrophysikalischen Modells ermittelten. Dies entspricht einem Radius von 100 Millionen Kilometern – im Sonnensystem hätte dieser Rote Riese bis hinter die Umlaufbahn der Venus gereicht.

In der stellaren Todeszone

Das Überraschende jedoch: Der Exoplanet 8 Ursa minoris b kreist nicht etwa jenseits dieser „Todeszone“, sondern mittendrin: Seine Umlaufbahn liegt bei 75 Millionen Kilometern oder rund 0,46 astronomischen Einheiten. Eigentlich dürfte es den Exoplaneten demnach gar nicht mehr geben – er hätte längst von seinem Stern verschlungen werden müssen. „Unsere Modelle bestätigen, dass der Zentralstern sich über die Umlaufbahn dieses Planeten hinaus ausgedehnt haben muss“, berichten die Astronomen.

„Die Tatsache, dass der Planet Halla es geschafft hat, in unmittelbarer Nähe zu diesem Roten Riesen erhalten zu bleiben, macht ihn zu einem außergewöhnlichen Überlebenden“, sagt Hon. „Allerdings wirft dies zwingend die Frage auf, wie dieser Exoplanet überlebt hat“, ergänzt Hons Kollege Daniel Huber.

Szenarien
Normale Entwicklung eines Roten Riesen und zwei mögliche Szenarien für das Überleben des Planeten 8 Ursa minoris b (Halla). © Brooks Bays, Jr / SOEST University of Hawaii

Stoppte eine Sternenverschmelzung die Ausdehnung?

Eine mögliche Erklärung wäre, dass der Gasriese ursprünglich viel weiter außen kreiste und erst nach Schrumpfen seines Sterns auf seine jetzige Bahn wanderte. Allerdings hätte der Exoplanet dann mehrere Milliarden Jahre Zeit benötigt, um seinen jetzigen, stabilen und kreisförmigen Orbit auszubilden. Diese Zeit kann der Planet aber nicht gehabt haben, wie das Team erklärt: Typischerweise verbringt ein Roter Riese nur rund 100 Millionen Jahre in der heliumbrennenden Phase, der Stern 8 Ursa minoris ist aber noch mittendrin.

Eine zweite Möglichkeit: „Wir glauben, dass Baekdu einst ein Doppelstern war“, sagt Koautor Chen Jiang vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen. Dabei könnte einer der beiden Sterne bereits zum Weißen Zwerg geworden sein, der andere war ein Roter Riese. „Modelle der Doppelsternentwicklung zeigen, dass die Verschmelzung eines Weißen Zwergs mit einem Roten Riesen das Heliumbrennen im Kern vorzeitig zünden kann“, erklären die Astronomen. „Dadurch bricht die Ausdehnung des Roten Riesen vorzeitig ab.“

Das Ende ist nur aufgeschoben

Wenn dieses Szenario stimmt, dann könnte der Exoplanet seinem Schicksal knapp entronnen sein – zumindest vorerst. Denn die Gefahr ist noch nicht vorüber: „Nach der stellaren Verschmelzung müsste sich 8 Ursa minoris wie ein typischer Red-Clump-Stern entwickeln: Wenn er das Helium im Kern verbraucht hat, wird er sich wieder ausdehnen“, berichten die Astronomen. Und dann wird der sterbende Riesenstern seinen Planeten endgültig verschlingen, wie die Modellierung ergab.

Es gibt allerdings noch eine dritte Möglichkeit: Der Exoplanet könnte erst nach der Verschmelzung seiner beiden Muttersterne entstanden sein – quasi als Nebenprodukt ihrer Fusion, wie Hon und sein Team erklären. Denn bei einer Sternenverschmelzung werden große Mengen an Gas und Staub ausgeschleudert, aus denen sich eine protoplanetare Scheibe und letztlich auch neue Planeten bilden können. Der Planet 8 Ursa minoris b könnte damit eine Art Nachzügler oder Planet der zweiten Generation sein.

Welches dieser Szenarien zutrifft, ist allerdings noch unklar. Zwar haben die Astronomen einige spektrale Indizien dafür gefunden, dass der Stern 8 Ursa minoris tatsächlich das Produkt einer Sternenverschmelzung sein könnte. Belegen lässt sich dies aber vorerst noch nicht. Das Rätsel um den „unmöglichen“ Exoplaneten müssen nun weitere Analysen klären. (Nature, 2023; doi: 10.1038/s41586-023-06029-0)

Quelle: University of Hawaii at Manoa, Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung

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