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Astronomie

Schwarzes Loch beim „Snacken“ erwischt

Umlaufender Stern verliert bei jeder Annäherung drei Erdmassen an Material

SCcwarzes Loch und Stern
Astronomen haben ein Schwarzes Loch entdeckt, das einem sonnenähnlichen Stern immer wieder Material absaugt – in regelmäßigen Mahlzeiten. © NASA/Goddard Space Flight Center, Chris Smith (USRA/GESTAR)

Mahlzeit! Astronomen haben ein Schwarzes Loch mit ungewöhnlich regelmäßigen „Essenszeiten“ entdeckt. Alle 25 Tage erwacht es und verschlingt rund zehn Tage lang große Mengen an Material, dann macht es wieder 25 Tage Pause. Der Grund dafür: Ein Stern umkreist das Schwarze Loch auf einer exzentrischen Umlaufbahn und bietet ihm damit regelmäßig Gelegenheit für einen „Snack“ – der Stern kommt ihm so nahe, dass das Schwarze Loch ihm jedesmal drei Erdmassen seiner Substanz abzieht.

Typischerweise ist das Schicksal eines Sterns besiegelt, wenn er einem Schwarzen Loch zu nahe kommt: Er wird auseinandergerissen und verschlungen. Diese stellare Katastrophe – ein sogenanntes Tidal Disruption Event (TDE) – wird von gewaltigen Strahlenausbrüchen begleitet.

Galaxie
Die rätselhafte Röntgenquelle liegt im Herzen dieser rund 500 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie, hier eine Aufnahme im sichtbaren Licht vom PanSTARRS-Teleskop auf Hawaii.© Neils Bohr Institute/Daniele Malesani

Rätselhafte Röntgen-Schübe

Doch es geht auch anders, wie nun Astronomen um Phil Evans von der University of Leicester durch Zufall entdeckt haben. Bei der Beobachtung einer Supernova mit dem Swift-Röntgenteleskop der NASA leuchtete am 22. Juni 2022 plötzlich eine neue, helle Strahlenquelle auf. Der Swift J023017.0+283603, kurz Swift J0230, getaufte Röntgen-Emitter setzte weiche Röntgenstrahlung frei und schien im Zentrum einer rund 500 Millionen Lichtjahre entfernten, ansonsten eher unauffälligen, ruhigen Galaxie zu liegen.

Das Merkwürdige jedoch: Diese neuentdeckte Röntgenquelle strahlte vier Tage lang ununterbrochen, nur um dann abrupt dunkel zu werden. 25 Tage lang herrschte Pause, bis dann die Röntgenstrahlung ebenso abrupt wieder einsetzte. Wie Evans und sein Team feststellten, folgte Swift J0230 offenbar einem ziemlich regelmäßigen Takt: 25 Tage Pause, gefolgt von vier bis zehn Tagen intensiver Röntgenaktivität.

Zeitverlauf passt zu keinem bekannten Phänomen

Dieses Muster passt zu keinem bisher bekannten kosmischen Phänomen, wie die Astronomen erklären. Für eine Supernova sei es zu periodisch, für einen Pulsar oder Ähnliches sei der Aktivitätszyklus zu lang. „Der Zeitverlauf und das Spektrum von Swift J0230 stimmen auch nicht mit dem typischen Verhalten eines aktiven Galaxienkerns überein“, erklären Evans und sein Team. Dennoch legte die Position dieser Röntgenquelle im Zentrum der Galaxie und die Art der Strahlung nahe, dass das zentrale Schwarze Loch mit im Spiel sein könnte.

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Aber wie? Nach Ansicht der Astronomen könnte es sich um eine neue Sonderform des Tidal Disruption Eventhandeln – ein wiederholtes, unvollständiges Tidal Disruption Event (rpTDE). „Dabei verliert ein Stern in einem gebundenen, hochgradig exzentrischen Orbit um ein Schwarzes Loch bei jeder Annäherung einen Teil seiner Hülle“, erklären sie. Der Stern kommt dem Schwarzen Loch dabei gerade so nahe, dass dieses ihm zwar Material absaugen kann, er aber nicht komplett zerrissen wird.

Parasitierter Stern und „snackendes“ Schwarzes Loch

Dieses Szenario könnte erklären, warum Swift J0230 mehrere Tage lang intensive Röntgenstrahlung aussendet, dann aber immer wieder für 25 Tage erlischt: „Die Wiederholrate der Ausbrüche ist mit der Umlaufperiode des Sterns verknüpft“, erkläre die Astronomen. Durchläuft der Stern den längeren, lochfernen Teil seines Orbits, ist er außer Reichweite des Schwarze Lochs – es kann ihm dann kein Material abziehen. Erst wenn er sich auf seiner Bahn wieder annähert, beginnt eine neue „Mahlzeit“ des Schwarzen Lochs.

Wie das Schwarze Loch den Stern „anfrissst“.© NASA/GSFC

Im Fall von Swift J0230 konnten die Forschenden auch ermitteln, welche Eigenschaften und Massen die beiden Partner aufweisen: Das zentrale Schwarze Loch der Galaxie ist demnach mit nur rund 200.000 Sonnenmassen eher schmächtig – das supermassereiche Schwarze Loch unserer Milchstraße hat vier Millionen Sonnenmassen. Der parasitierte Stern ist wahrscheinlich ähnlich groß und schwer wie unsere Sonne. Er verliert bei jedem Umlauf rund drei Erdmassen an Material an das Schwarze Loch.

Missing Link für „parasitierte“ Sterne

„Dies ist das erste Mal, dass wir einen sonnenähnlichen Stern finden, der auf diese Weise wiederholt ausgesaugt wird“, sagt Evans. „Wiederholte unvollständige TDEs sind schon per se ein neues, erst kürzlich postuliertes Phänomen.“ So haben Astronomen einen Fall entdeckt, bei dem ein Weißer Zwerg alle neun Stunden einem Schwarzen Loch zu nahe kommt und Röntgenstrahlung entsteht. Eine zweite Variante ist ein massereicher Stern, der alle 114 Tage von einem Schwarzen Loch „angefressen“ wird.

„Das jetzt von uns entdeckte System fällt genau in die Lücke zwischen diesen beiden Fällen“, sagt Evans. Denn es bildet in Bezug auf Masse und Zeitabstände der „Mahlzeiten“ eine Zwischenform. „Swift J0230 ist damit eine spannende Ergänzung zu dieser Klasse von unvollständig ausgesaugten Sternen – es liefert uns das Missing Link“, sagt Koautor Rob Eyles-Ferris von der University of Leicester.

Nach Ansicht der Astronomen liefert das von ihnen entdeckte System Belege dafür, dass alle bisher bekannten Fälle von unvollständigen Tidal Disruption Events auf die gleichen Mechanismen zurückgehen und ein Kontinuum bilden. (Nature Astronomy, 2023; doi: 10.1038/s41550-023-02073-y)

Quelle: University of Leicester

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