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Astronomie

Rätsel der solaren „Lagerfeuer“ gelöst?

Sonnensonde liefert neue Erkenntnisse über Miniatur-Ausbrüche der Sonne

Solares Lagerfeuer
Solare "Lagerfeuer" sind Miniatur-Ausbrüche auf der Sonne. Welche magnetischen Ursachen dahinterstehen, haben nun Forschende aufgeklärt. - © ESA/ Chen et al. (2021)

Hell, häufig und überraschend heiß: Astronomen haben neue Einblicke in die erst kürzlich entdeckten solaren „Lagerfeuer“ erhalten – Miniatur-Strahlenausbrüche auf der Sonne. Demnach entstehen diese Ausbrüche oberhalb der Sonnenoberfläche, wenn sich Bündel aus nahe beieinanderliegenden Magnetfeldschleifen berühren. Diese Rekonnexion heizt das Plasma auf bis zu einer Million Grad auf und könnte erklären, warum die Sonnenkorona so viel heißer ist als die Sonnenoberfläche.

Es ist eines der größten Rätsel unserer Sonne: Obwohl ihre Oberfläche „nur“ rund 5.500 Grad heiß ist, erreichen die Temperaturen ihrer weit nach außen reichenden Korona mehr als eine Million Grad. Woher die Sonnenkorona die Energie für diesen Temperatursprung nimmt und welche Prozesse sie aufheizen, ist bislang strittig. Diskutiert werden verschiedene Wellenphänomene, Strahlungsausbrüche und auch magnetische Rekonnexionen – eine Art Kurzschluss zwischen zwei Magnetfeldlinien.

Neues zu den solaren „Lagerfeuern“

Jetzt liefern Aufnahmen und Daten der europäischen Sonnensonde Solar Orbiter neue Informationen über ein Phänomen, das möglicherweise entscheidend zur Aufheizung der Sonnenkorona beiträgt. Es handelt sich um Miniatur-Strahlenausbrüche, die zwischen 400 und 4.000 Kilometer groß sind, aber nur zehn bis 200 Sekunden anhalten. Wissenschaftler haben diese erstmals im Jahr 2020 dokumentierten Mini-Ausbrüche „Lagerfeuer“ getauft.

Inzwischen hat die Sonnensonde im Verlauf ihrer stetigen Annäherung an die Sonne weitere Aufnahmen solcher solaren Lagerfeuer übermittelt. Die wichtigsten dieser Daten stammen vom Extreme Ultraviolet Imager (EUI) der Sonde, der den Bereich des Spektrums abdeckt, in dem dieses Phänomen am besten zu erkennen ist. Ein Forschungsteam um David Berghmans vom Königlichen Observatorium Belgiens in Brüssel hat nun Bilder und Messdaten zu 1.500 dieser Mini-Ausbrüche näher analysiert.

Leuchtende Schleifen in der Übergangszone

Ihre Auswertungen enthüllen: Die solaren Lagerfeuer kommen häufiger vor als zunächst angenommen. Die meisten von ihnen haben eine längliche Struktur, die in Größe und Form denen der auf der Sonnenoberfläche vorkommenden Schleifen der Magnetfeldlinien ähnelt – allerdings nicht ganz: „Obwohl die Lagerfeuer den kleinen koronaren Schleifen ähneln, sind sie im Schnitt ein wenig zu kurz für ihre Höhe“, berichtet Berghmans. „Das deutet darauf hin, dass wir nur einen Teil dieser Schleifen sehen.“

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Lagerfeuer 2
Die solaren Lagerfeuer gehen wahrscheinlich auf magnetische Rekonnexionen in der Sonnenatmosphäre zurück. © Solar Orbiter/EUI Team, ESA/NASA; Daten: Berghmans et al., Chen et al.

Aus ergänzenden Aufnahmen des Solar Dynamics Observatory der NASA ermittelten die Wissenschaftler zudem, wo genau diese leuchtenden Bögen liegen: Sie treten zwischen 1.000 und 5.000 Kilometer oberhalb der Photosphäre, der sichtbaren Sonnenoberfläche, auf. Damit liegen sie mitten in der „ruhigen Zone“ zwischen der unteren Atmosphärenschicht, der Chromosphäre, und der unteren Korona. In dieser Übergangszone finden sich viele kleine Magnetfeldschleifen, die eher kühl und von der Korona abgegrenzt sind.

Überraschend heiß

Anders die Lagerfeuer: Obwohl sie in der noch eher kühlen Übergangszone liegen, sind sie bis zu einer Million Grad heiß – und erreichen damit bereits die Temperaturen der Korona. „Wir gehen deshalb davon aus, dass diese Lagerfeuer die Scheitelzonen von kleinräumigen, tiefliegenden Schleifen darstellen, die auf koronare Temperaturen aufgeheizt wurden“, erklären Berghmans und sein Team.

Was diese Magnetschleifen so stark aufheizt, hat ein zweites Team um Yajie Chen von der Universität Peking mithilfe von Modellsimulationen untersucht. Dafür bildeten sie das Zusammenspiel aus heißem Plasma und Magnetfeldern in der Übergangszone zwischen Sonnenoberfläche und Korona nach. „Tatsächlich erzeugt unser Modell helle Ausbrüche genau wie die Lagerfeuer“, berichtet Chen.

„Kurzschluss“ in den Magnetschleifen

Wie das Modell enthüllte, lösen wahrscheinlich „Kurzschlüsse“ in den Magnetschleifen die Miniatur-Ausbrüche aus. Sie entstehen, wenn sich zwei Bündel magnetischer Feldlinien kreuzen und dabei in Kontakt kommen. Es kommt zu einer explosiven Verbindung der Magnetschleifen, einer Rekonnexion. „Diese Rekonnexion heizt dann das Plasma rund um die Kontaktregion der wechselwirkenden Feldlinienbündel auf“, erklären die Forschenden. Als Folge wird energiereiche UV-Strahlung freigesetzt.

Ein solares „Lagerfeuer“ und die ihm zugrundeliegenden Magnetfeldlinien.© ESA

Damit könnten die solaren Lagerfeuer dazu beitragen, die Sonnenkorona aufzuheizen: „Unser Modell legt nahe, dass die von diesen Rekonnexionen freigesetzte Energie ausreichen könnte, um die beobachtete Temperatur der Korona aufrechtzuerhalten“, berichtet Chen. Allerdings haben sie ihrem Modell bislang nur Daten der sieben größten solaren Lagerfeuer zugrunde gelegt. Weitere Forschung ist daher nötig, um auch die Physik und den Einfluss der kleineren Ereignisse dieser Art zu erfassen. (Astronomy & Astrophysics, in press; doi: 10.1051/0004-6361/202140380; doi: 10.1051/0004-6361/202140638)

Quelle: European Space Agency (ESA), Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung

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