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Astronomie

Pulsar knackt Energierekord

Astronomen detektieren energiereichste von einem Pulsar freigesetzte Gammastrahlung

Pulsar-Strahlung
Der Vela-Pulsar setzt Gammastrahlen mit rekordträchtigen Energien frei. Wie der Sternenrest diese Photonen auf so hohen Energien bringt, ist noch unklar. © DESY/ Science Communication Lab

Woher kommt die Energie? Astronomen haben beim Vela-Pulsar eine energiereiche Gammastrahlen-Emission entdeckt, die alle bisher bekannten Pulsar-Emissionen weit übertrifft. Die Strahlung hat Energien von bis zu 20 Teraelektronenvolt und stellt damit einen neuen Rekord auf. Doch wie der rotierende Neutronenstern diese Gammastrahlung erzeugt, ist ein Rätsel. Denn sie liegt jenseits dessen, was durch gängige Modelle erklärt werden kann, wie das Team in „Nature Astronomy“ berichtet.

Pulsare sind schnell rotierende Neutronensterne, deren starkes Magnetfeld Teilchen zu enormen Geschwindigkeiten beschleunigt. Dies erzeugt Kegel energiereicher Strahlung, die wie die Strahlen eines Leuchtturms in regelmäßigem Takt das All durchstreichen. Das Spektrum dieser Strahlung reicht dabei von der langwelligen Radiostrahlung bis in den Gammabereich. Beobachtungen legten jedoch nahe, dass die Pulsar-Gammastrahlung kaum über den Energiebereich von wenigen Gigaelektronenvolt hinaus geht.

Die einzige bekannte Ausnahme war bislang der Pulsar im Krebsnebel, bei dem Astronomen erstmals Energien von bis zu 1,6 Teraelektronenvolt ermittelten. „Für alle anderen bekannte Pulsare wurden jedoch strikte Obergrenzen des hochenergetischen Ausstroms festgestellt“, erklären Astronomen der H.E.S.S.-Kollaboration.

Vela-Supernova-Relikt
Der Vela-Pulsar (PSR J0835-451) liegt rund 940 Lichtjahre von uns entfernt im Zentrum eines Supernova-Überrests. Der schnell rotierende Neutronenstern entstand vor rund 11.000 Jahren durch die Explosion eines massereichen Sterns.© NASA/CXC/PSU/ G.Pavlov et

Neuer Blick auf den Vela-Pulsar

Jetzt hat das Team unter Leitung von Arache Djannati-Atai von der Universität Paris Cité einen Pulsar identifiziert, der alle bisherigen Rekorde sprengt. Entdeckt haben sie dies mithilfe der Teleskope des H.E.S.S-Observatoriums in Namibia. Dieses besteht aus fünf Spiegelteleskopen, die die winzigen Lichtlitze einfangen, die energiereiche kosmische Gammastrahlen beim Eindringen in die oberen Erdatmosphäre erzeugen. Das Observatorium kann dabei Gammastrahlen im Bereich von Gigaelektronenvolt bis hin zu Teraelektronenvolt detektieren.

Für ihre Studie hatten die Astronomen die H.E.S.S-Teleskope auf den rund 940 Lichtjahre entfernten Vela-Pulsar gerichtet, einen jungen, erst 11.000 Jahre alten Neutronenstern mit einer Rotationsperiode von 89 Millisekunden. Der Vela-Pulsar ist der hellste Pulsar im Radioband des elektromagnetischen Spektrums und die hellste anhaltende Quelle kosmischer Gammastrahlung im Gigaelektronenvolt-Bereich. Auch seine Gamma-Emissionen enden im Energiebereich von einigen Gigaelektronenvolt abrupt – so jedenfalls dachte man bisher.

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Gammastrahlung von bis zu 20 Teraelektronenvolt

Doch die neuen Beobachtungen mit H.E.S.S-Observatorium enthüllen nun, dass der Vela-Pulsar weit oberhalb der vermeintlichen Obergrenze noch eine weitere Gammastrahlungs-Komponente erzeugt. Diese Strahlung liegt im Energiebereich von bis zu 20 Teraelektronenvolt (TeV). Damit hat diese Strahlungskomponente zehn Billionen Mal so viel Energie wie sichtbares Licht und ist mehr als zehnmal energiereicher als die Gammastrahlung des Krebs-Pulsars.

Damit hält der Vela-Pulsar nun offiziell den Rekord als Pulsar mit der energiereichsten Gammastrahlung, die je bei einem solchen Objekt entdeckt worden ist. Trotz der enormen Energien pulsiert seine hochenergetische Gammastrahlen-Komponente jedoch synchron zum Rest der vom Pulsar freigesetzten Strahlung – was die Astronomen überraschte.

Der Vela-Pulsar sendet die energiereichste je von einem Pulsar detektierte Gammastrahlung aus.© Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY

Mit gängigen Modellen nicht erklärbar

„Dieses Ergebnis stellt unser bisheriges Wissen über Pulsare in Frage und erfordert ein Überdenken der Theorie von der Funktionsweise dieser natürlichen Beschleuniger“, sagt Djannati-Atai. „Das traditionelle Schema, wonach die Teilchen entlang der Magnetfeldlinien innerhalb oder leicht außerhalb der Magnetosphäre beschleunigt werden, kann unsere Beobachtungen nicht ausreichend erklären.“ Denn um so hohe Energien zu erreichen, müssten Elektronen stärker beschleunigt werden als dies gängigen Modellen zufolge in der Magnetosphäre möglich ist.

Wie aber entsteht diese außergewöhnlich energiereiche Gammastrahlung dann? Bisher können die Astronomen darüber nur spekulieren. Denkbar wäre demnach eine Art nachträglicher Beschleunigung, die nicht im Magnetfeld des Pulsars, sondern außerhalb davon im Strahlungskegel stattfindet. Dabei könnten die energiereichen Gamma-Photonen durch Interaktionen sekundärer Teilchen, wie beispielsweise den energieärmeren Infrarot-Photonen entstehen – so eine Hypothese des Forschungsteams.

„Vielleicht sind wir aber auch Zeugen der Beschleunigung von Teilchen durch die sogenannte magnetische Rekonnexion jenseits des Lichtzylinders, bei dem das Rotationsmuster noch irgendwie erhalten bleibt?“, sagt Djannati-Atai. „Aber selbst dieses Szenario tut sich schwer mit der Erzeugung solch extrem energiereicher Strahlung.“ Hier seien nun neue theoretische Ansätze gefragt. (Nature Astronomy, 2023; doi: 10.1038/s41550-023-02052-3)

Quelle: Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY

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