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Astronomie

Planetensystem mit Sechser-Resonanz entdeckt

Naher Stern hat sechs Exoplaneten mit fast perfekt abgestimmten Umlaufzeiten

Planetensystem HD 110067
Um den nahen Stern HD 110067 kreisen sechs Exoplaneten in fast perfekter Harmonie: Sie bilden eine ungestörte, ununterbrochenen Sechser-Kette der Bahnresonanzen. © Thibaut Roger/ NCCR Planets

Himmlische Harmonie: Astronomen haben sechs Exoplaneten entdeckt, die ihren Stern in nahezu perfekter orbitaler Harmonie umkreisen. Die Umlaufzeiten der sechs Sub-Neptune bilden eine ungestörte Kette von 3/2 und 4/3-Bahnresonanzen – eine echte Seltenheit. Denn normalerweise sorgen Schwerkraftturbulenzen dafür, dass solche Resonanzen mit der Zeit verloren gehen. Doch das 100 Lichtjahre entfernte System HD 110067 überdauerte Milliarden Jahre in diesem ursprünglichen Resonanzzustand.

Wenn Planetensysteme entstehen, sind die Größen, Bahnen und Umlaufzeiten ihrer Mitglieder meist nicht zufällig verteilt. Zudem bewegen sich die Planeten bei jungen, frisch gebildeten Planetensystemen meist in harmonischer Resonanz um ihren Stern – ihre Umlaufzeiten stehen in einem durch einfache Brüche ausdrückbaren Verhältnis: 3/2, 4/3 oder auch 6/5. Im Sonnensystem sind beispielsweise Neptun und Pluto über eine 3/2-Resonanz verknüpft: Neptun benötigt für drei Umläufe die gleiche Zeit wie Pluto für zwei.

Allerdings bleiben diese Bahnresonanzen oft nicht lange erhalten: Die Schwerkrafteinflüsse von nahen Sternpassagen, großen Gasriesen oder andere Störungen verändern die Planetenbahnen und durchbrechen die harmonische Resonanz. Entsprechend selten sind Mehrplanetensysteme mit noch intakten Resonanzketten. „Nur rund ein Prozent aller Planetensysteme bleibt in einer solchen Resonanz“, erklärt Erstautor Rafael Luque von der University of Chicago. Eine der längsten bekannten Resonanzketten hat immerhin fünf von sechs Planeten in Bahnresonanz.

HD 110067
Die sechs Planeten von HD 110067 und ihre Bahnresonanzen im Überblick.© ESA

Verwirrendes Abschattungsmuster eines nahen Sterns

Jetzt haben Luque und sein Team eine echte Rarität entdeckt: Ein sechsteiliges Planetensystem, in dem alle Exoplaneten miteinander in Resonanz stehen. Die Planeten kreisen um den nur rund 100 Lichtjahre entfernten Stern HD 110067, einen hellen, sonnenähnlichen Stern von rund 80 Prozent der Größe und Masse unserer Sonne. Schon 2020 hatten Astronomen mithilfe des TESS-Weltraumteleskops regelmäßige Abschattungen des Sterns bemerkt, die auf die Präsenz mehrerer Planeten hindeuteten. Allerdings ergaben die Beobachtungen widersprüchliche Daten zu deren Umlaufzeiten.

Deshalb haben die Forschenden nun alle bisherigen TESS-Daten zu diesem Planetensystem ausgewertet und den Stern zusätzlich mit dem europäischen CHEOPS-Satelliten ins Visier genommen. „Wir konnten so die Transits zwei Exoplaneten zuordnen, HD 110067b mit einer Umlaufperiode von 9,1 Tagen und HD 110067c mit einer Periode vom 13,7 Tagen“, berichten die Astronomen. Dank CHEOPs fanden sie noch einen dritten Planeten, HD 110067d, der den Stern im Laufe von 20,5 Tagen umkreist.

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Sechs Planeten in resonanter Harmonie

Das aber bedeutet: Schon diese innersten drei Exoplaneten um HD 110067 bewegen sich in einer fast perfekten 3/2-Resonanz um ihren Stern. „Das spricht dafür, dass diese drei Planeten in einer Laplace-Resonanzkette gefangen sind“, so die Astronomen. Doch in den Lichtkurven des Sterns zeigten sich neben den harmonischen Signalen dieser drei Trabanten noch weitere, schwächere Abschattungen. „Daher erkundeten wir die Möglichkeit, dass diese noch nicht zugeordneten Senken von Planeten stammen, die die Resonanzkette fortsetzen“, berichten Luque und seine Kollegen.

Und tatsächlich: Die Astronomen identifizierten noch drei weitere Exoplaneten um den Stern. Der nächstfolgende, HD 110067e benötig für einen Umlauf 30,7 Tage und steht damit ebenfalls in 3/2-Resonanz zu seinem inneren Nachbarn. Weiter außen folgen dann die Planeten HD 110067f und HD 110067g mit Umlaufzeiten von rund 41 und 54,7 Tagen – sie zeigen damit eine Bahnresonanz von 4/3. Das Team schließt zudem nicht aus, dass es um den Stern HD 110067 sogar noch weitere Planeten geben könnte. „Mit Umlaufperioden von 70 Tagen und mehr könnten diese Exoplaneten in der habitablen Zone ihres Sterns kreisen oder auch jenseits davon“, so die Forschenden.

Rares „Fossil“ planetarer Systeme

Damit ist dieses resonante Sechser-Planetensystem eine absolute Rarität unter den bisher bekannten Planetensystemen. „Das Planetensystem HD 110067 umfasst mindestens sechs per Transit nachgewiesene Exoplaneten, die eine Resonanzkette der ersten Ordnung bilden“, konstatieren die Astronomen. Bisher waren nur zwei resonante Sechser-Systeme bekannt, HD 110067 ist nun das dritte. Das Planetensystem gehört damit zu den wenigen, die die nahezu perfekte Bahnharmonie ihrer Anfangszeit über Milliarden Jahre hinweg erhalten konnten.

„Solche resonanten Planetensysteme sind für uns besonders wertvoll, weil sie ihre Systemarchitektur seit ihrer Geburt nahezu unverändert geblieben ist“, erklären Luque und sein Team. „HD 110067 ist damit ein seltenes ‚Fossil‘, an dem wir die Mechanismen der planetaren Migration und die Merkmale protoplanetarer Scheiben rekonstruieren können.“ Interessant ist auch, dass alle sechs Exoplaneten dieses Systems etwa 1,9- bis 2,9-mal so groß sind wie die Erde. Ergänzenden Analysen zufolge könnte es sich um gasreiche Sub-Neptune handeln.

Kosmische Harmonie: So klingt die Bahnresonanz der sechs Exoplaneten um den nahen Stern HD 110067. © Nature

Gute Bedingungen für weitere Analysen

Das seltene Sechser-Planetensystem bietet damit gleich mehrere Ansatzpunkte für weitere spannende Analysen. Vorteilhaft dafür: HD 110067 liegt nur 100 Lichtjahre entfernt und ist das hellste bekannte Planetensystem mit mehr als vier Exoplaneten, wie die Astronomen berichten. Dadurch können seine Planeten besonders gut mit den scharfen Kameras und Spektrometern des James-Webb-Weltraumteleskops ins Visier genommen werden. Dessen Daten könnten unter anderem mehr über die Gashüllen der sechs Sub-Neptune und ihre sonstigen Merkmale verraten.

„HD 110067 bietet uns die Chance, neue Einblicke in die Natur von subneptunischen Planeten zu erhalten und zu erfahren, wo, wie und unter welchen Bedingungen sich Resonanzketten bilden und erhalten“, schreiben Luque und seine Kollegen. (Nature, 2023; doi: 10.1038/s41586-023-06692-3)

Quelle: Nature, European Space Agency (ESA)

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