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Astronomie

Vier Klassen von Planetensystemen identifiziert

Abfolge der Planeten um ihren Stern folgt bestimmten Gesetzmäßigkeiten

Planetensysteme
Der Aufbau von Planetensystemen im Weltall lässt sich in vier Klassen gliedern. © Tobias Stierli/ NCCR PlanetS

Neue Klassifikation: Die Abfolge von Planeten um einen Stern ist nicht zufällig, sondern lässt sich in vier Klassen einteilen, wie Astronomen ermittelt haben. Diese vier Klassen – ähnlich, geordnet, anti-geordnet und gemischt – zeigen sich in den Massenverhältnissen der Planeten, spiegeln aber auch ihre Zusammensetzung und Bildungsgeschichte wider. Unser Sonnensystem ist demnach geordnet, aber in mehrfacher Hinsicht exotisch. So sind habitable Planeten in geordneten Systemen dem Modell zufolge nahezu unmöglich.

In unserem Sonnensystem folgen die Planeten einem bestimmten Schema: Die kleineren Gesteinsplaneten Merkur, Venus, Erde und Mars kreisen nahe an der Sonne, während die Umlaufbahnen der vier großen Gas- und Eisriesen im äußeren Sonnensystem liegen. Doch das ist im Kosmos nicht die Regel: Astronomen haben schon viele Planetensysteme entdeckt, in denen die Planetenabfolge wild durcheinandergewürfelt scheint oder in denen mehrere ganz ähnliche Planeten eng beieinander um ihren Stern kreisen, wie bei TRAPPIST-1.

Planetensystem-Architekturen: Gibt es ein System?

Jetzt zeigt sich, dass der Aufbau von Planetensystemen nicht zufällig ist, sondern offenbar einem bestimmten System folgt. Dabei scheint die Planetenbildung vornehmlich vier Klassen von Planetenabfolgen hervorzubringen, wie Lokesh Mishra von der Universität Bern und seine Kollegen herausgefunden haben. Für ihre Studie simulierten sie zunächst mithilfe eines astrophysikalischen Modells, wie Protoplanetenembryos unter verschiedenen Ausgangsbedingungen heranwachsen und welche Planetensystem dabei entstehen.

„Dafür erzeugten wir tausend Systeme, die jeweils mit 100 protoplanetaren Embryos von der Masse des Mondes begannen“, erklärt das Team. „Wir variierten dann folgende Ausgangsbedingungen: die Masse der protoplanetaren Scheibe, die Rate der Photoevaporation, das Verhältnis von Gas zu Staub, die Lage des Innenrands der Scheibe und die Ausgangsposition der Planetenembryos.“ Im nächsten Schritt suchten die Astronomen nach Hinweisen auf Gesetzmäßigkeiten in Abfolge und Struktur der resultierenden Planetensysteme.

Schließlich verglichen die Forscher die Ergebnisse ihres Modells mit denen von tatsächlich im All beobachteten Planetensystemen. Dabei wählten sie aus allen bekannten Systemen die 41 aus, die mindestens vier Planeten umfassen.

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Klassen
In den vier Planetensystem-Klassen sind Planeten je nach Masse unterschiedlich verteilt. © Tobias Stierli/ NCCR PlanetS

Vier Klassen identifiziert

Die vergleichenden Analysen ergaben: Der Aufbau von Planetensystemen lässt sich in vier Klassen von grundlegenden Architekturen gliedern. „Wir bezeichnen diese vier Klassen als ‘ähnlich’, ‘geordnet’, ‘anti-geordnet’ und ‘gemischt’“, erklärt Mishra. Bei ähnlichen Planetensystemen unterscheiden sich die Massen, Dichten und Größen der Planeten nur wenig, die Planeten ähneln sich wie Erbsen in einer Schote. Beispiele für solche meist eher kleinere Planeten umfassenden Systeme sind unter anderem die sieben Planeten von TRAPPIST-1 und Tau Ceti.

Zur Klasse der geordneten Planetensysteme gehört dagegen das Sonnensystem. Typisch für diese Gruppe ist die Zunahme der Planetenmassen nach außen hin. Der umgekehrte Fall ist das anti-geordnete Planetensystem, in dem die Masse der Trabanten zum Stern hin zunimmt. Die letzte und vierte Klasse umfasst gemischte Systeme, in denen die Merkmale benachbarter Planeten stark und ungeordnet variieren. Ein Beispiel dafür findet sich um den 1.500 Lichtjahre entfernten Stern Kepler-89. Bei seinen vier Planeten wechseln sich große Supererden mit Winzlingen ab.

Häufigkeiten: Das Sonnensystem ist eher ein Exot

Diese vier Klassen von Planetensystemen unterschieden sich auch in ihrer Häufigkeit. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass ‘ähnliche’ Planetensysteme die häufigste Art von Architekturen sind“, sagt Mishra. „Etwa acht von zehn Planetensystemen um die Sterne, die am Nachthimmel sichtbar sind, weisen eine solche ‘ähnliche’ Architektur auf. Im Modell trat diese Klasse in 80 Prozent der Fälle auf, in der Probe der real beobachteten Systeme machen sie knapp 60 Prozent aus.

Am zweithäufigsten sind dem Modell zufolge gemischte und anti-geordnete Systeme mit jeweils acht Prozent. Während Astronomen jedoch schon einige gemischte Systeme entdeckt haben, ist von anti-geordneten Planetensystemen bisher kein einziger Vertreter bekannt. Ebenfalls überraschend ist eine Diskrepanz bei den geordneten Systemen – der Klasse, der auch unser Sonnensystem angehört. Denn dem Modell zufolge dürfte diese Abfolge von innen leichten und außen schweren Planeten nur in 1,5 Prozent aller Fälle entstehen. Unter den bekannten Systemen macht diese Architektur aber 37 Prozent aus.

Mishra und sein Team führen diese Diskrepanzen darauf zurück, dass die heutigen Methoden bestimmte Exoplaneten besser nachweisen können als andere. So sind massearme, weit von ihrem Stern entfernte Planeten nur schwer zu finden, weil sie kaum Schwerkraft-Effekte auf ihren Stern haben. Wenn sie vor ihrem Stern vorüberziehen, hinterlässt ihr winziger Schatten zudem nur extrem schwache Dellen in der Lichtkurve, was den Nachweis ebenfalls erschwert. Alle Klassen, bei denen leichte Planeten auch weiter außen vorkommen, sind daher in den Beobachtungen noch unterrepräsentiert.

habitable Planeten
Anteil habitabler Planeten je nach Planetensystem-Klasse – im Modell und bei den bisher bekannten Systemen. © Mishra et al./ Astronomy and Astrophysics, CC-by 4.0

Rätselhafte Diskrepanz bei habitablen Planeten

Und noch etwas ist überraschend: Dem Modell zufolge dürfte es im Sonnensystem keinen lebensfreundlichen Planeten geben. Denn in keinem der Systeme der geordneten und anti-geordneten Klasse entstanden in der Simulation Planeten in der habitablen Zone. „Das widerspricht den Beobachtungen und deutet auf eine Lücke in unserem Verständnis der Planetenbildung und Entwicklung hin“, schreiben Mishra und seine Kollegen.

Denn ihrer Theorie zufolge ist die Chance für lebensfreundliche Planeten bei ähnlichen Planetensystemen am größten: „In unserem Modell haben 13 Prozent der ähnlichen Planetensysteme mindestens einen Planeten in der habitablen Zone“, berichtet das Team. Umgekehrt gehörten rund 99 Prozent aller in der Simulation entstandenen habitablen Planeten zu dieser Systemklasse. Damit wäre das Sonnensystem mit der Erde und den früher lebensfreundlichen Planeten Venus und Mars in mehrfacher Hinsicht ein Exot.

Verschiedene Bildungswege

Welche Abfolge von Planeten entsteht, hängt stark von der Masse und Zusammensetzung der protoplanetaren Scheiben und des Sterns ab: „Ein bemerkenswerter Aspekt dieser Ergebnisse ist, dass sie die Ausgangsbedingungen der Planeten- und Sternentstehung mit einer messbaren Eigenschaft – der Systemarchitektur – verbindet“, erklärt Mishra. So gehen aus kleinen, massearmen Scheiben und Sternen mit wenig schweren Elementen eher ähnliche Planetensysteme hervor.

„Aus großen, massiven Scheiben mit vielen schweren Elementen im Stern entstehen dagegen eher geordnete und anti-geordnete Systeme“, so der Astronom weiter. „Gemischte Systeme entstehen aus mittelgroßen Scheiben.“ Neben diesen Ausgangsbedingungen spielen aber auch dynamische Prozesse eine Rolle. So bilden sich ähnliche Planeten vorwiegend innerhalb der Schneegrenze des Systems und bleiben an ihren Entstehungsorten. Bei den restlichen drei Systemen sind die äußeren Planeten meist jenseits der Schneelinie entstanden und dann nach innen gewandert – wie im Sonnensystem. (Astronomy and Astrophysics, 2023; doi: 10.1051/0004-6361/202244705)

Quelle: Astronomy and Astrophysics, Universität Bern

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