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Sonnensystem

Der Tag, als der Sonnenwind stoppte

Letzte Weihnachten gab es ein seltenes "Windloch" am Mars

Mars und Sonnenwind
Normalerweise wird der Mars – wie die Erde – ständig von den Teilchenströmen des Sonnenwinds angeweht. Doch am 25. Dezember 2022 änderte sich dies plötzlich. © NASA Goddard

Letzte Weihnachten erlebte unser Nachbarplanet Mars ein verblüffendes Phänomen: Der normalerweise stetig wehende Sonnenwind stoppte plötzlich – das Teilchenbombardement von der Sonne war verschwunden. Zeuge dieses extrem seltenen Ereignisses wurde die NASA-Marssonde MAVEN, die auch die dramatischen Folgen dieses abrupten „Windlochs“ aufzeichnete: Die Ionosphäre und Magnetosphäre des Mars dehnten sich um tausende Kilometer aus. Doch was war die Ursache für diesen eintägigen Sonnenwind-Stopp?

Ob Mars, Erde oder alle anderen Planeten des Sonnensystems: Unser gesamtes Planetensystem ist von den Teilchenströmen der Sonne und ihrem Magnetfeld geprägt. Die ständig von unserem Stern ausgehenden energiereichen, geladenen Teilchen erzeugen eine riesige Magnet- und Plasmablase, die etwa doppelt so weit ins All hinausreicht wie die Bahn des Pluto. Diese Heliosphäre schirmt uns vor energiereichen, interstellaren Teilchenströmen und einem Teil der kosmischen Strahlung ab.

MAVEN
Die NASA-Raumsonde MAVEN kreist im Marsorbit und hatte damit einen „Logenplatz“ für die Geschehnisse. © NASA Goddard

Als Folge des stetigen Sonnenwinds sind die Atmosphären und Magnetfelder der Erde und ihrer Nachbarn verformt: Auf der Sonnenseite werden sie abgeflacht und komprimiert, während sie auf der sonnenabgewandten Seite oft zu einem Plasmaschweif ausgezogen sind. Der Magnetschweif der Erde reicht sogar bis zum Mond.

Ein „Windloch“ und seine Folgen

So weit, so bekannt. Doch am 25. Dezember 2022 geschah etwas Unerwartetes: An diesem Tag detektierte die im Marsorbit kreisende NASA-Sonde MAVEN plötzlich einen rasanten Abfall der Teilchendichte – der normalerweise aus Richtung Sonne eintreffende Sonnenwind hatte sich abrupt auf nicht einmal mehr ein Hunderstel der normalen Dichte abgeschwächt. „Als wir diese Daten zum ersten Mal sahen, konnten wir es kaum glauben“, berichtet Jasper Halekas von der University of Iowa.

Nähere Analysen der MAVEN-Daten zeigten, dass auch der Mars auf dieses plötzliche „Windloch“ reagierte: Die normalerweise vom Sonnenwind verformte und eine „Bugwelle“ bildende Ionosphäre und Magnetsphäre des Mars blähte sich um tausende Kilometer auf und vergrößerte ihre normale Ausdehnung auf das mehr als Dreifache. Parallel dazu verlor die normalerweise durch den ständigen Kontakt mit dem geladenen Sonnenwind magnetisch aufgeladene Ionosphäre ihre Magnetisierung.

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Die gesamte elektromagnetische Umgebung des Mars änderte sich. „Dieser Tag war wirklich voller unglaublicher Geschehnisse“, erinnert sich Halekas. Erst gut einen Tag später, am 27. Dezember 2022, normalisierte sich der Sonnenwind im Marsumfeld wieder und auch die Marsatmosphäre kehrte allmählich in ihren normalen, komprimierten Zustand zurück.

„Überholmanöver“ im Sonnenwind

Doch was war passiert? Wie die Astronomen herausfanden, war eine Art Überholmanöver im Sonnenwind schuld an dem plötzlichen „Windloch“: Während der Phasen zunehmender Sonnenaktivität kann es vorkommen, dass solare Eruptionen Schübe von besonders schnell durch das All rasenden Plasmaströmen freisetzen. Diese fegen dann wie eine Sturmböe durch den normalen, langsamer aber stetig wehenden Sonnenwind und komprimieren ihn.

Dadurch kam es im Umfeld des Mars am 25. Dezember 2022 zu einer Sonnwindlücke: Der schnellere Teilchenstrom riss die langsameren Teilchen mit sich und erzeugte hinter sich eine fast leere Zone. Diese war so groß, dass sie den normalen Teilchenstrom des Sonnenwinds am Mars für gut einen Tag unterbrach. Solche Ereignisse sind relativ selten, wie die Forschenden erklären. Die Erde hat ein solches solares „Windloch“ zuletzt im Jahr 1999 erlebt. Damals sank die Teilchendichte des Sonnenwinds um 98 Prozent ab, wodurch sich die irdische Magnetsphäre auf das Fünffache ihrer normalen Größe ausdehnte.

Der Tag, als der Sonnenwind stoppte. .© NASA/ Goddard

Für Planetenforscher sind solche Ereignisse besonders interessant, denn sie liefern wertvolle Informationen über die Wechselwirkung von Sonnenwind und Planetenatmosphären. „Wir konnten sehen, wie der Mars reagiert, wenn es keinen Sonnenwind gäbe“, erklärt Halekas. Das erlaubt auch Rückschlüsse auf Exoplaneten, die um weniger „windige“ Sternen kreisen als die Sonne. (American Geophysical Union Fall Meeting 2023)

Quelle: NASA Goddard Space Flight Center

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