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Astronomie

Der erste zweigeteilte Weiße Zwerg

Oberfläche des Sternenrests besteht auf einer Hälfte aus Wasserstoff, auf der anderen aus Helium

Weißer Zwerg als Januskopf
Astronomen haben erstmals einen "doppelgesichtigen" Weiße Zwerg entdeckt: Eine Hälfte ist dunkler und von Helium bedeckt, die andere ist heller und von Wasserstoff dominiert. Aber warum? © K. Miller, Caltech/ IPAC

Doppelgesichtiger Sternenrest: Astronomen haben erstmals einen Weißen Zwerg entdeckt, der genau zweigeteilt ist – eine Hälfte seiner Oberfläche besteht aus Wasserstoff, die andere aus purem Helium. Dieses Phänomen wurde nie zuvor bei einem solchen Sternenrest beobachtet. Warum der Weiße Zwerg ein solches Janusgesicht zeigt, ist noch unklar. Die Forschenden vermuten aber, dass es mit der allmählichen Abkühlung des Sternenrests zu tun hat. Möglicherweise verhindert ein Magnetfeld das gleichmäßige Absinken des Wasserstoffs.

Weiße Zwerge sind die kleinen, schweren Reste massearmer Sterne – auch unsere Sonne wird einst so enden. Sie entstehen, wenn die sterbenden Sterne ihre Hüllen ausschleudern und nur der dichte, ausgebrannte Sternenkern übrigbleibt. Dieser wird in seinem Inneren von schwereren Elementen wie Sauerstoff und Kohlenstoff dominiert, hat aber meist noch eine dünne Hülle aus Wasserstoff und Helium. Häufig ist der Wasserstoff nur bei jungen, noch sehr heißen Weißen Zwergen an der Oberfläche erkennbar. Wenn sie abkühlen, sinkt er ins Innere und außen bleibt Helium zurück.

Aufbau Weißer Zwerge
Der Aufbau Weißer Zwerge kann sich je nach Alter, Temperatur und Elementverhältnissen unterscheiden. Einige haben noch eine dünne Wasserstoffschicht auf ihrer Oberfläche (DA), bei anderen fehlt sie oder ist untergemischt, so dass Helium dominiert (DB). Bei sehr kühlen, alten Weißen Zwergen kann auch die Oberfläche aus Kohlenstoff oder Sauerstoff bestehen (nicht gezeigt). © Szczureq/ CC-by-sa 4.0

Helligkeit schwankt in Form einer Sinuskurve

Doch jetzt haben Astronomen einen Weißen Zwerg entdeckt, der bisher einzigartig ist: „Die Oberfläche dieses Weißen Zwergs verändert sich völlig von einer Seite zur anderen“, berichtet Ilaria Caiazzo vom California Institute of Technology (Caltech). Als das Teleskop der Zwicky Transient Facility (ZTF) in Kalifornien diesen ZTF J1901+1458 getauften Sternenrest entdeckte, wurde er zunächst für einen veränderlichen Stern gehalten, weil seine Helligkeit stark schwankte. Seine Leuchtkraft ähnelte einer Sinuskurve mit 15-minütiger Wellenlänge.

Um diesen seltsamen Schwankungen nachzugehen, untersuchten Caiazzo und ihr Team das Lichtspektrum des Weißen Zwergs genauer mithilfe von Spektrometern des Keck-1-Teleskops auf dem Mauna Kea in Hawaii. Das überraschende Ergebnis: „Während der hellen Phase der Lichtkurve zeigt das Spektrum nur Wasserstofflinien, in der dunkleren Phase dagegen nur Heliumlinien“, berichten die Astronomen. Die Form des Spektrums und der schnelle Wechsel schlössen jedoch aus, dass dort zwei Weiße Zwerge umeinander kreisen und so diesen Wechsel verursachen.

Eine Hälfte Wasserstoff, die andere Helium

Das aber bedeutet: Der Weiße Zwerg ZTF J1901+1458 muss zweigeteilt sein – eine Hälfte seiner Oberfläche ist heißer und besteht aus fast reinem Wasserstoff, die andere ist kühler und komplett von Helium bedeckt. Ein solcher Januskopf-Sternenrest ist bisher einmalig, wie das Team erklärt. Bisher ist erst ein anderer Weißer Zwerg bekannt, bei dem Helium und Wasserstoff unregelmäßig über die Oberfläche verteilt sind. Dieser GD 323 getaufte Zwerg zeigt jedoch keine so klare Zweiteilung und deutlich geringere Schwankungen.

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Doch was ist die Ursache für das Janusgesicht von ZTF J1901+1458? Die Astronomen vermuten, dass dies mit der Abkühlung des Weißen Zwergs zusammenhängt. Mit seiner Oberflächentemperatur von rund 35.000 Gad liegt er etwa in dem Bereich, in dem bei manchen Weißen Zwergen der Wasserstoff von der Oberfläche ins Innere absinkt. „Sie wandeln sich dann von einer Wasserstoff-dominierten Oberfläche zu einer Helium-dominierten“, erklärt Caiazzo. „Wir könnten hier einen solchen Übergang auf frischer Tat ertappt haben.“

Blockiert ein einseitiges Magnetfeld die Konvektion?

Doch der Übergang allein erklärt noch nicht, warum ZTF J1901+1458 so zweigeteilt ist: Warum hat nur eine Hälfte seiner Oberfläche den Wasserstoff verloren? Die Forschenden vermuten, dass irgendetwas das Absinken des Wasserstoffs auf einer Seite und das Aufsteigen des Heliums auf der anderen Seite des Sternenrests behindert. Eine mögliche Ursache dafür könnte ein asymmetrisches Magnetfeld sein. „Magnetfelder können das konvektive Mischen von Sternenmaterial verhindern“, erklärt Caiazzo.

Wie die Astronomen ermittelten, würde bei dem rund 1,2 Sonnenmassen schweren Weißen Zwerg schon ein relativ schwaches Magnetfeld von wenigen Dutzend Gauß für einen solchen Störeffekt genügen. „Die helle Wasserstoffseite des Weißen Zwergs entspräche dann der Region, in der das Feld stark genug ist um die Konvektion zu verhindern, so dass die Wasserstoffschicht erhalten bleibt“, so die Forschenden. „Auf der Helium-dominierten Seite ist das Feld hingegen schwächer und die Konvektion daher stark genug, um die dünne Wasserstoffschicht zu zerstören.“

Wasserstoffozean am stellaren Pol?

Denkbar wäre jedoch auch ein anderes Szenario. In diesem beeinflusst das Magnetfeld nicht die Konvektion, sondern erzeugt an den Polen des Sternenrests eine Zone niedrigeren Drucks und geringerer Dichte. „Durch diesen Gradienten würden Ionen mit geringerem Masse-zu-Radius-Verhältnis wie Wasserstoff in Richtung dieser Tiefdruckzone diffundieren“, so die Astronomen. Dadurch könnte sich ein regionaler Wasserstoff-Ozean bilden, der nur rund die Hälfte der stellaren Oberfläche bedeckt.

„Wir wissen nicht, welche dieser Theorien zutrifft“, sagt Koautor James Fuller vom Caltech. „Aber ohne den Einfluss magnetischer Felder können wir die asymmetrischen Hälften von ZTF J1901+1458 nicht erklären.“ In jedem Fall müsse es sich bei diesem Weißen Zwerg um einen Sternenrest in der Übergangsphase vom Wasserstoff- zum Helium-dominierten Typ handeln.

„Möglicherweise kein Einzelfall“

Die Entdeckung des janusköpfigen Weißen Zwergs wirft damit auch ein neues Licht auf die Entwicklung dieser Sternenreste. Denn sie legt nahe, dass sich ihre Oberfläche und Elementverteilung weniger gleichmäßig und reibungslos verändert als bisher angenommen. „Wenn wir noch mehr Weiße Zwerge mit ähnlicher Temperaturverteilung finden, wäre dies ein starkes Indiz dafür, dass ihr Verhalten mit dem Auftreten von Konvektions-Instabilitäten in der Heliumschicht zusammenhängt“, erklären Caiazzo und ihre Kollegen.

Die Astronomen vermuten, dass es im Kosmos wahrscheinlich noch mehr janusköpfige Weiße Zwerge wie ZTF J1901+1458 gibt. „Janus ist möglicherweise kein Einzelfall, sondern nur der auffälligste Vertreter einer ganzen Klasse von doppelgesichtigen Weißen Zwergen“, konstatieren sie. Weitere Durchmusterungen und neue Teleskope könnten das Aufspüren dieser Janusköpfe in Zukunft erleichtern. (Nature, 2023; doi: 10.1038/s41586-023-06171-9)

Quelle: California Institute of Technology

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